Hagen. . Der Hagener Professor Jürgen Weibler hat 2010 ein Buch über Barack Obama herausgegeben. Im Interview äußert er sich zu den Fragen, ob der Präsident seine Versprechen einhalten konnte oder ob er seine Wähler enttäuscht hat. Die Chancen Obamas für eine Wiederwahl stehen gut, meint Weibler im Interview mit der WAZ-Mediengruppe.

Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Personalführung und Organisation, ist das Fachgebiet von Prof. Jürgen Weibler an der Fernuniversität Hagen. Sein Standardwerk „Personalführung“ ist gerade in zweiter Auflage im Vahlen Verlag erschienen. Aber Weibler beschäftigt sich auch mit Führungsfragen, bei denen es um mehr als nur ein paar Mitarbeiter geht: 2010 hat er das Buch „Barack Obama und die Macht der Worte“ (VS Verlag) herausgegeben. Nun steht der erste schwarze Präsident der USA wieder im Wahlkampf. Zeit für eine Bilanz.

Die Autoren haben Obama damals außerordentlich positiv beurteilt. Haben Sie ihn überschätzt?

Jürgen Weibler: In dem Buch geht es um die Wertschätzung des Redners Obama. Ziel war nicht die Beurteilung seiner politischen Absichten. Die Analysen seines rednerischen Talents und seiner Performance gelten unverändert. Auch tritt er immer wieder so mitreißend und cool auf wie damals, doch verlangt das Präsidentenamt eine zurückhaltendere Form.

Doch genügt Reden allein nicht für eine erfolgreiche Politik.

Weibler: Die Reden waren wichtig für den Wahlkampf. Obama weckte Sympathien und Emotionen, verstand es, die Menschen für einen Wandel zu begeistern. In seiner jetzigen Kampagne geht es eher darum, einen Rückfall zu verhindern.

Hat er nicht mehr Erwartungen geweckt, als er erfüllen konnte?

Weibler: Vielleicht liegt ihm das große Wort wirklich mehr als die geduldige Arbeit an kleinen Details. Aber er ist ein hochintelligenter Mann. Er ist unter extrem schwierigen Rahmenbedingungen angetreten: Der politische Gegner hat wegen ideologischer Differenzen ausschließlich das Ziel, alle seine Pläne zu verhindern und will seinen größten innenpolitischen Erfolg, die „Obamacare“ genannte Krankenversicherung, wieder zurückdrehen. Und auch außenpolitisch sind ihm die Hände weitgehend gebunden.

Also keine Enttäuschung?

Weibler: Schon. Natürlich bin auch ich enttäuscht. Aber die Erwartungen waren unrealistisch hoch. Und das ist nur zum Teil ihm selbst zuzuschreiben. So mächtig ist auch ein amerikanischer Präsident nicht. Es gibt eine Fülle von Abhängigkeiten. Des öfteren hat er versucht, für seine Überzeugungen zu kämpfen. Der größte Fehler war gleich zu Beginn seiner Amtszeit. In den ersten Monaten hatte er einen so hohen Vertrauenskredit, gepaart mit einer günstigen innenpolitischen Konstellation, dass er mehr hätte durchsetzen müssen. Stattdessen ließ er Zeit verstreichen und suchte den Kompromiss.

Reicht denn die Bilanz für eine Wiederwahl?

Weibler: Bisher schon. Überraschend für viele ist seine Härte in Sicherheitsfragen. Hoch wird ihm zu Hause die Liquidierung Bin Ladens angerechnet. Und auch die in Europa kritisch betrachteten Hinrichtungen mit ferngesteuerten Drohnen sehen die Amerikaner im Kern positiv. Seine offenen Flanken sind die Arbeitslosenrate und seine Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit. Aber entscheidend ist etwas anderes: Der Wähler entscheidet immer relativ. Wie gut ein Kandidat abschneidet, hängt vom Gegner ab. Und da hat Obama gegenüber Mitt Romney einen deutlichen Sympathiebonus.

Seine größte Stärke ist also die Schwäche des Gegners?

Weibler: Obama hat, auch wenn er im Amt etwas grau geworden ist, noch immer viel Schwung. Und seine Frau Michelle hat als Rollenvorbild eine ungemein wichtige Funktion. Romney dagegen kann als Persönlichkeit wenig Begeisterung wecken, schon gar nicht bei jungen Leuten. Die finden ihn nur langweilig. Und in dem sich abzeichnenden Lagerwahlkampf – der Kandidat der Reichen gegen den der Mittelklasse – müsste Obama auch besser abschneiden. Hoffnung und Zuversicht und der amerikanische Traum verbinden sich immer noch stärker mit ihm als mit Romney. Aber bis zur Wahl im November kann noch viel passieren.