Hagen. . Sie wirkt sanft und und gutmütig, doch der Eindruck täuscht: Die 23-jährige Urzula O. muss sich wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung vor dem Amtsgericht Hagen verantworten. Sie soll ihren Freund misshandelt haben.

Warum wurde die junge Frau mit dem Engelsgesicht am Silvesterabend zu einer unberechenbaren Furie?

Urszula O. (23) ist Ergotherapeutin. In ihrem Beruf bringt sie kranke Patienten wieder auf die Beine. Wenn sie ihr langes, braunes Haar sanft aus dem Gesicht streift und dabei milde lächelt, scheint die Sonne aufzugehen. Vor uns, so scheint’s, sitzt die Sanftmütigkeit in Person. Sie sitzt auf der Anklagebank im Amtsgericht. Wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung. Kaum zu glauben – der Engel kann auch Teufel sein.

„Mittels eines gefährlichen Werkzeugs“, trägt die Staatsanwältin vor, hätte Urszula O. ihren Freund am letzten Abend des alten Jahres „schwer misshandelt“. Genauer: ihm mit spitzen Stöckeln wuchtig mitten ins Gesicht getreten. Anschließend stampfte sie noch sein zu Boden gefallenes Handy zu Schrott.

Es sollte ein schöner Silvesterabend werden

„Ein erheblicher Vorwurf, für den man ins Gefängnis gehen kann“, erhebt Richter Thorsten Kirschner gleich zum Prozessbeginn seine Stimme. „Ihr Vorteil ist, dass Sie nicht vorbelastet sind. Aber ich empfehle dringend, nichts zu beschönigen und keine Geschichten zu erzählen.“

Urszula O. hat die klare Ansage verstanden. Sie möchte offenbar nicht als böses Mädchen hinter Gittern landen und erzählt. Was heißt „erzählt“? Es wird dann doch nur ein schamhaftes Drumherum-Gerede. Eigentlich wollte sie ja nur – gemeinsam mit ihrer Mutter und Freund Marcel – einen schönen Silvesterabend erleben. Doch bereits gegen 22 Uhr schien der Jahreswechsel gelaufen. Der junge Mann war derart betrunken, dass er im Schlafzimmer aufs Bett der Mutter gelegt werden musste und dort alle Viere von sich streckte.

Ein umfassendes Geständnis klingt anders

„So total neben der Spur. Das hat mich dann krass verärgert“, gesteht Urszula. Es kam zu Streit. „Wir gerieten ein bisschen aneinander. Ich hab’ ihn festgehalten, er hat sich gewehrt. Draußen vor der Tür eskalierte dann alles.“

Ein umfassendes Geständnis klingt anders. Deshalb beharrt die Staatsanwältin darauf: Marcel S. (24) muss in den Zeugenstand. Typ smartes Bübchen, gepflegt, von Beruf stellvertretender Drogeriemarktleiter. Das riecht man ihm an. Als er den Gerichtssaal betritt, schwebt eine Parfümwolke gleich mit herein.

Der Mädchenschwarm stellt erst mal richtig: „Die Uschi war lediglich eine Partnerin auf Flirtebene.“ In Wahrheit hätte ihm ja immer noch die eigentliche Freundin durch den Kopf gespukt. Mit der hatte er im Jahr zuvor Silvester verbracht. Deshalb habe er sich aus Frust „die Kante gegeben“ und sei weit vor Mitternacht auf Muttis Bett eingeschlafen.

Mit dem Stöckelschuh ins Gesicht getreten

Marcel S. erinnert sich, wie er plötzlich wach wurde und im Schlafzimmer auf dem Boden lag. Die „Flirtpartnerin“ flippte regelrecht aus: Da war ein heftiger Tritt von Uschis Stöckelschuh, der ihn voll ins Gesicht traf. „Fraktur der Schädeldecke“, attestierte später ein Arzt, sowie einen „Bruch des oberen Kiefers“. Mit spitzem Absatz hatte ihm die Ergotherapeutin sogar einen Zahn herausgetreten.

„Schon böse“, kommentierte die Staatsanwältin, „die Verletzungen sind ziemlich heftig gewesen.“ „Und Zähne“, fügte Richter Kirschner hinzu, „hat man in dem Alter ganz gerne noch vollzählig.“ Urteil: sechs Monate Haft, ausgesetzt zur Bewährung.

Das Engelsgesicht auf der Anklagebank wurde blass. Ab jetzt muss sich Urszula O. zusammenreißen. Sollte wieder mal der Teufel in ihr durchbrechen, lernt sie ein Gefängnis von innen kennen.