Hagen. . Isolde ist blind, taub und beinahe haarlos. Das ist für ihr Alter nicht ungewöhnlich, denn Isolde ist 17 Jahre alt. Islode ist der Hund der Hagener Familie Kramps. Über die Jahre hat sich eine sehr innige Beziehung zwischen der Familie und dem Hund entwickelt.
Kinder konnte Isolde nie leiden. Und als Emelie geboren wurde, war sie regelrecht eifersüchtig. Sie warf scheele Blicke auf das Baby und machte in ihr Körbchen. Es dauerte, bis sie das kleine Kind als Mitglied der Familie akzeptierte. Heute sind die zweieinhalbjährige Emelie und die 17 Jahre alte Isolde unzertrennlich.
Aber die Freundschaft von Emelie und Isolde ist nur ein Teil einer viel größeren Beziehungskiste. Isolde ist ja ein Hund, und für einen Hund sind 17 Jahre ein geradezu biblisches Alter. Man sagt ja, ein Menschenjahr sind sieben Hundejahre, also ist Isolde 119. Sie ist blind, taub und hat, außer am Kopf, keine Haare mehr am Leib. Kerstin Kramps (38), ihr Frauchen, hat ihr ein Strickjäckchen gekauft und einen Druckknopf aufgenäht, damit das Kleidungsstück am Bauch zusammenhält. „Ich vergleiche Isolde immer mit einem alten Menschen“, sagt die Besitzerin. „Ihre Handlungen sind verlangsamt, sie schläft viel. Aber sie kämpft auch.“
Isolde kämpft um ihr Leben. Als 17-jähriger Hund muss man das, sonst kann man leicht tot umfallen. Schon mehrmals hat Familie Kramps den geliebten Tibet-Terrier abgeschrieben, aber das Tier hat sich stets wieder aufgerappelt. „Ich habe ihr das Versprechen abgenommen, dass sie bei mir bleibt, bis Emelie in den Kindergarten kommt“, sagt Kerstin Kramps über die Abmachung, die sie mit ihrer Tochter und ihrem Hund getroffen hat.
Hündin Isolde hat mit der Familie einiges mitgemacht
So ein Hund bedeutet Verantwortung und soziale Kompetenz, aber er gibt einem auch unheimlich viel zurück. Isolde hat ihre Eigenarten, man sollte besser sagen: Macken. Sie war zeitlebens ein dominanter, eigenwilliger Charakter, sie hatte, als sie noch gesund war, eine verdammt große Klappe und war den Nachbarhunden über. „Eine Rüdin“, lacht Kerstin Kramps.
Jetzt im Alter ist Isolde Haut und Knochen, seitdem ihr vor vier Jahren ein Tumor am Gebärmutterstumpf entfernt werden musste und sie eine Allergie gegen Fisch, Fleisch und Ballaststoffe entwickelte, verträgt sie nur noch ein molekular verändertes Spezialfutter. Alle zwei Stunden muss sie nach draußen gelassen werden, sonst pinkelt sie in die Wohnung. Man könnte meinen, dass sich bei Kramps alles um Isolde dreht, aber so ist das eben, wenn ein Hund zum Leben gehört. „Was sie alles mitgemacht hat“, sinniert Kerstin Kramps. „Abitur, Studium, Hochzeit, Geburt . . .“
Isolde ist mehr als nur ein Hund
Isolde kriegt Tabletten, homöopathische Zaubermittelchen, die die Leber, den Kreislauf, den Magen besänftigen. Regelmäßig fahren Kerstin Kramps oder ihre Eltern mit ihr zum Heilpraktiker, der den Hund betastet und ihm Mut zuspricht. Einmal sagte er, jetzt ging es wohl zu Ende mit Isolde, und dann stand sie doch wieder aufrecht und zitternd da und wollte nach Hause. Dort kennt sie jeden Winkel, trotz ihrer Blindheit bewegt sie sich schlafwandlerisch sicher durch alle Räume und den Garten. „Obwohl wir wissen, dass sie ein Hund ist, ist sie doch mehr“, sagt Brigitte Kramps, die Mutter von Kerstin und Oma von Emelie und Bürgermeisterin von Hagen. „Ich kann nicht begreifen, dass es Menschen gibt, die Tieren oder Kindern etwas antun.“
Als Emelie ein Baby war, haben Kerstin Kramps und ihr Mann Theo Kleinhofer (44) den Hund nie mit dem Kind allein gelassen. Die Eifersucht, man konnte ja nie wissen. Aber jetzt füttert Emelie den Hund und gibt ihm seine Tabletten. So ein Hund wirkt ja Wunder, dass konnte Kerstin Kramps als Lehrerin an der Hauptschule erfahren. Zu ihrer ersten Klasse habe sie keine Verbindung aufbauen können, erinnert sie sich: „Es war furchtbar.“ Bis sie, sozusagen als Anschauungsobjekt, Isolde mit in den Biologieunterricht brachte. Auf einmal hatte sie Zugang zu den Jugendlichen, die den Hund sofort ins Herz schlossen, der frechste Schüler teilte gar sein Butterbrot mit Isolde: „Das hätte ich nicht für möglich gehalten.“
Wenn es soweit ist, soll Isolde sich nicht quälen müssen
Doch, natürlich hätten sie schon übers Einschläfern nachgedacht, sagen Kerstin Kramps und Theo Kleinhofer, vor allem in solchen Momenten, in denen es Isolde schlecht ging und das Ende nahe schien. „Aber das käme erst in Frage, wenn das Tier sich quält und nicht, weil es eine Belastung für uns geworden ist“, sagt Kleinhofer.
Vielleicht zeigt Isolde ja irgendwann, dass sie nicht mehr will. Das sei bei ihrem Pferd so gewesen, berichtet Kerstin Kramps, das habe sich eines Tages hingelegt und beschlossen zu sterben. Sie hat schon mehrere Tiere besessen und glaubt, dass sie ein Gefühl dafür gewonnen hat, wenn es so weit ist. Aber Isolde kämpft, blind, taub und fast haarlos. Sie will ihr Versprechen einlösen.