Hagen. .

Zickenkrieg im Märchenschloss – so hatten die zwei Prinzen sich den Abend nicht vorgestellt. Doch wer sich Schneewittchen, Dornröschen und Co. einlädt, ist selbst schuld: Gegen die gesammelte Prinzessinnen-Riege ist jeder Drache ein Kuscheltier.

„Märchenhaft“ – das ist es wirklich, was die drei Jugendclubs des Theater Hagen am Samstagnachmittag auf die Bühne des Lutz bringen: Drei kurze Stücke nehmen die Zuschauer mit in eine Welt aus Burgen, Schlössern und verwunschenen Wäldern. Dreimal ist das Ergebnis allerdings ganz anders als das, was man von den Gebrüdern Grimm gewohnt ist. Die beiden Prinzen etwa, Protagonisten der ersten Inszenierung „P’n’P“, haben sich keineswegs perfekte Traumfrauen an Land gezogen: Die kleine Meerjungfrau hat Schuppen, Aschenputtel ist eine Schuhfetischistin. Über das Festmahl aus Froschschenkeln und Rotkäppchensekt rümpfen die Damen ebenfalls nur ihre feine Nase. Kein Wunder, dass die adlige Gesellschaft bald in einen so erbarmungslosen wie komischen Kratzbürsten-Clinch mündet.

Auch die beiden anderen Inszenierungen zeigen vor allem eins: Märchen haben mehr mit der Gegenwart zu tun, als es auf den ersten Blick scheint. Für ihr Stück „Waldlandschaften – was macht den Unterschied?“ versetzt die zweite, fast zwanzig Schauspieler starke Gruppe die alten Geschichten in die Gegenwart: Die böse Hexe ist männlich und lockt per Chatroom in ihr Knusperhäuschen, die nicht minder fiese Stiefmutter könnte auch in einer Patchwork-Familie anno 2012 ihr Unwesen treiben. Die Szenen, die die Jugendlichen so ganz ohne Bühnenbild konstruieren, können ziemlich witzig sein – im Hintergrund schwingen aber auch einige nachdenkliche Zwischentöne mit, die sich auch in das dritte Stück des Abends ziehen: „Bin ich viele? Wenn ja, welche?“ ist ein Appell dazu, sich etwas entscheidendes von den Märchen-Figuren abzuschauen: Den Mut zu träumen.

In kleinen Episoden tauscht eine Figur nach der anderen ihre Rolle gegen eine ganz andere – und siehe da: Was für den einen eine Horrorvision ist, hat der Andere sich schon immer ersehnt: Die Prinzessin auf der Erbse zum Beispiel beißt liebend gern in Schneewittchens vergifteten Apfel, wenn sie dafür nur endlich in Ruhe schlafen kann. Wenn Rapunzel lieber in ihrem friedlichen Turm bleibt, findet sich garantiert eine Andere, die dem Traumprinzen zu gern ihr Haar herunterlässt.

Den einen, richtigen Weg, das macht die Gruppe mit einfachen Mitteln deutlich, gibt es eben nicht – weder hinter den sieben Bergen noch im richtigen Leben.