Iserlohn/Hagen. . Trost und Würde statt anonymer Entsorgung: Für Fehl- und Totgeburten werden von Seelsorgern Trauerfeiern und Bestattungen organisiert. Sie möchten den Eltern, den Großeltern und auch den Geschwistern die Möglichkeit geben, trauern zu können.
Eine gute Nachricht begrüßt die Besucher des Iserlohner Bethanien-Krankenhauses an diesem Morgen im Foyer: „Dr. Ashour und seine Team gratulieren Familie Schönfeld zur Geburt ihres Sohnes...“ leuchtet es da in roten Buchstaben auf einer Info-Tafel. Ein Stockwerk darüber sitzen die Krankenhausseelsorgerinnen Sandra Kamutzki und ihre Hagener Kollegin Elke Schwerdtfeger in einem abgedunkelten Büroraum und sprechen über Totgeburten von Kindern, die weniger als 500 Gramm wiegen. Anlass für das traurige Thema ist eine Meldung, die kürzlich durch die Medien ging und in der es hieß, dass die toten „kleinen Menschlein als organischer Abfall entsorgt werden“.
„Das stimmt überhaupt nicht“, korrigiert Sandra Kamutzki im Gespräch, „und das wollen wir jetzt ganz ausdrücklich richtig stellen.“
Bis zu 200 Frühverstorbene gibt es pro Jahr in Hagen
Tatsächlich war eine anonyme „Entsorgung“ von Fehl- und Totgeburten in deutschen Krankenhäusern lange Zeit üblich. Seit bald zehn Jahren aber werden sowohl am Allgemeinen Krankenhaus in Hagen wie auch am Iserlohner Bethanien-Hospital von den Seelsorgern gemeinsam Trauerfeiern und Bestattungen für die verstorbenen Kinder organisiert. „Bis zu 200 solcher Frühverstorbenen gibt es pro Jahr in Hagen“, umreißt Pfarrerin Elke Schwerdtfeger die Situation; in Iserlohn sind es aufgrund des kleineren Einzugsbereiches entsprechend weniger.
Zwei wesentliche Begriffe tauchen im Vokabular der beiden evangelischen Theologinnen in diesem Zusammenhang immer wieder auf: Trost und Würde. Es sind dies die zwei wesentlichen Faktoren, die im begleitenden Zusammenhang mit dem oft traumatisierenden Erlebnis eines Säuglingstodes stehen: „Wir möchten den Eltern, den Großeltern und auch den Geschwistern die Möglichkeit geben, trauern zu können. Und wir wollen ihnen durch die Bestattungen auf dem Friedhof auch den angemessenen Ort dafür anbieten“, so die Pfarrerinnen.
Auch muslimische Familien können teilnehmen
Dabei sind die evangelisch geprägten Trauerfeiern keine konfessionell begrenzten Ereignisse. „Wir stehen in gutem Kontakt mit der katholischen Kirche“, betont Sandra Kamutzki, und Elke Schwerdtfeger verweist darauf, dass auch betroffene muslimische Familien selbstverständlich an dem christlichen Ritual teilnehmen können. Gegenwärtig überlegt die Iserlohner Seelsorgerin, in welcher Weise der Ablauf der Bestattungszeremonie auf dem Friedhof gegebenenfalls auch durch eine Lesung aus dem Koran erweitert werden kann. Religiöse Konflikte sehen die zwei Pfarrerinnen dabei keineswegs; es komme lediglich darauf an, alle Beteiligten entsprechend vorzubereiten: „Bislang haben wir stets Toleranz von allen Seiten erlebt“, so Pfarrerin Schwerdtfeger, die nach Jahrzehnten in der Gemeindearbeit nun seit März 2011 als Krankenhausseelorgerin tätig ist.
Die Theologinnen weisen aber noch auf einen anderen Aspekt hin, der derzeit im gesellschaftlichen Kontext diskutiert wird. Danach liegt dem Bundesfamilienministerium eine Petition vor, in der eine Änderung des sogenannten „Personenstandswesens“ gefordert wird. Dies wiederum bedeutet, dass Totgeburten unter 500 Gramm eben nicht dem offiziellen Personenstand zugerechnet werden, also quasi im juristischen Sinne ohne Menschenrecht sind. Würde dies geändert, hätte man zwar einerseits den Vorteil der offiziellen Registrierung mit Namenseintragung und anderen Formalien, „aber“, so Elke Schwerdtfeger, „es müssten dann auch richtige Beerdigungen vorgenommen werden, die jeweils mindestens 1000 Euro kosten würden“.
Fehlgeburten und Abtreibungen würden ebenfalls unter ein modifiziertes Personenstandsgesetz mit den gleichen Bestattungskosten fallen: „Das würde manche Mutter oder Familie finanziell überfordern“, warnt Sandra Kamutzki. Womit sie gleich noch bei einem anderen wichtigen Hinweis ist: „In Hagen und Iserlohn nehmen wir mehrfach im Jahr Sammelbeerdigungen mit Trauerfeiern vor. Dabei helfen uns Bestattungsunternehmen mit großem ehrenamtlichem Engagement, indem sie beispielsweise kleine Särge zur Verfügung stellen.“ In Hagen haben zudem Steinmetze Stelen für den Friedhof gestiftet, in Iserlohn hat eine Bildhauerin ebenfalls einen besonderen Grabstein für die Rasenfläche geschaffen, auf der die kleinen Kinder in Würde beigesetzt werden.