Hagen. . Vor 20 Jahren, Im Frühjahr des Jahres 1992, kam es in Hagen zu einem skurrilen Disput um das Werk „Eingeweckte Welt“ des Wuppertaler Künstlers Michael Badura. Der damalige Leiter des Karl-Ernst-Osthaus-Museums, Dr. Michael Fehr, wäre über die inszenierte Affäre fast gestolpert.

Dass Kunst ein streitbares Kulturgut ist, zeigt sich nicht nur auf der documenta 13, die heute in Kassel eröffnet wird. Vor 20 Jahren kam es in Hagen zu einem skurrilen Disput um das provokante Werk „Eingeweckte Welt“ des Wuppertaler Künstlers Michael Badura, der dem damaligen Leiter des Karl-Ernst-Osthaus-Museums, Dr. Michael Fehr, fast das Amt gekostet hätte.

Die Geschichte nimmt ihren Anfang als ein Kunstkurs des Gymnasiums Hohenlimburg das Karl-Ernst-Osthaus-Museum besucht. Die Schüler besichtigen auch das vor wenigen Monaten für 50 000 Mark erworbene Kunstwerk „Eingeweckte Welt“. Das Werk besteht aus mehr als 100 Einmachgläsern. Darin lässt der Künstler unterschiedliche organische und anorganische Stoffe miteinander reagieren. Intention des Künstlers ist, die Verschmutzung und Vergiftung im Zeitraffer zu dokumentieren, der die Menschheit die Erde aussetzt.

Es blubbert und brodelt in Baduras experimenteller Anordnung. Nach dem Museumsbesuch klagt einer der Schüler, so wird es dem Umweltausschuss seitens des Kurses schriftlich mitgeteilt, über Kopfschmerz, Übelkeit und Schwindel.

Das bringt eine politische Lawine ins Rollen. Ausschüsse und der Rat befassen sich wochenlang mit der scheinbar toxischen Kunst. Das Gesundheitsamt warnt vor „einer mikrobiologischen Gefährdung“. Die Aufnahme von Krankheitserregern über die Atemwege könne nicht ausgeschlossen werden. Die Geschichte von der unbekömmlich-verderblichen Kunst wird weit über die städtischen Grenzen hinaus bekannt.

„Eingeweckte Welt“ hinter einer Glasscheibe hermetisch abgeriegelt

„Das war eine stürmische Zeit“, erzählt die stellvertretende Direktorin des Museums, Dr. Birgit Schulte, die damals gerade ihren Dienst in Hagen angetreten hatte. Dr. Fehr, der heute einen Lehrstuhl an der Universität der Künste Berlin hat, habe Anfeindungen über sich ergehen lassen müssen. „Sein Stuhl hat gewackelt.“ Schließlich wird die „Eingeweckte Welt“ hinter einer Glasscheibe hermetisch abgeriegelt. Ein Abluftrohr wird installiert, das sämtliche vermeintlich giftigen Gase nach draußen leitet. Heute wird die „Eingeweckte Welt“ in einem abgeschlossenen Nebenraum der Brunnenhalle gelagert und ist auf Anfrage zu besichtigen.

Viel Aufregung und Aufwand für einen Aprilscherz, wie sich knapp zwei Jahre später herausstellt.

Gesundheitliche Probleme damals nur vorgetäuscht

Denn im März 1994 erreicht das Osthaus-Museum ein Schreiben des Kunstkurses aus Hohenlimburg. Darin räumt der Kurs ein, dass die gesundheitlichen Probleme eines Schülers vor zwei Jahren vorgetäuscht waren. Man habe die Reaktion der Öffentlichkeit auf das Objekt testen wollen. Mit einer gehörigen Portion Chuzpe weisen die Schüler um ihren Lehrer Alexander Pieper darauf hin, dass ihr Warnschreiben vor zwei Jahren auf den 1. April datiert gewesen sei. „Dr. Fehr war damals ,not amused’“, weiß Birgit Schulte.

Eine Pikanterie am Rande: Alexander Pieper war seinerzeit auch FDP-Ratsherr und hatte 1991 im Rat gegen die Anschaffung des Kunstobjekts votiert. In der politischen Diskussion um die vermeintlich giftige Kunst nach dem Alarmschreiben seines Kunstkurses hatte er betont, dass er das Werk Baduras zwar als Kunst werte, sie aber nicht in die Konzeption des Museums passe. „Wir hätten nicht erwartet“, sagt Pieper heute, „dass die Sache so hohe Wellen schlägt.“

Dass der damalige Museumsleiter über die erfundene Affäre fast seinen Job verloren hätte, habe ihn damals auch erschrocken. „Ich hatte danach ein klärendes Gespräch mit Dr. Fehr. Wir sind dann im Guten auseinander gegangen.“