Hagen.

Schon im Vorfeld stand fest: Kein Bereich - egal, ob Soziales, Sport oder Kultur - wird ungeschoren davon kommen. Seit Donnerstag liegen nun die Konsolidierungsideen, die der Stadt bis 2016 zusätzliche Einsparungen von 15 Millionen Euro bringen ­sollen, auf dem Tisch.

Negativ-Spitzenwert

Demzufolge muss der Kulturbereich weitere 1,17 Millionen Euro einsparen, um der Stadt auch künftig ihre Selbstständigkeit zu erhalten und einen Sparkommissar abzuwenden. Der Haushaltssanierungsplan, der sich auf die Ergebnisse der Gemeindeprüfungsanstalt NRW (GPA) stützt, attestiert der Hagener Kultur im Vergleich zu ähnlich strukturierten Städten wie Mülheim, Krefeld und Oberhausen ­extrem hohe Aufwendungen für Personal sowie Sach- und Dienstleistungen.

Beim Vergleich des Bereichs Kultur/ Wissenschaft (Theater, Museen, VHS und Musikschule) zeigt sich, dass die Stadt Hagen mit einem Pro-Kopf-Defizit von rund 125 Euro einen Negativ-Spitzenwert innerhalb der Vergleichsstädte erreicht. Der Mittelwert aus den Vergleichsstädten liegt bei knapp 68 Euro.

Rechtsformänderung

Kulturdezernent Herbert Bleicher beurteilt den Vergleich mit anderen Städten als schwierig, da man das dortige Kulturangebot nicht genau kenne. Das Theater, das seinen Etat durch die Rechtsformänderung in eine gGmbh um eine halbe Million verbessern möchte und zusätzlich erwartete Personalmehrkosten aus eigener Kraft kompensieren soll, könne die Vorgaben erreichen, „und das ohne Schließung einer Sparte“, ist sich Bleicher sicher. Theaterintendant Norbert Hilchenbach bemängelt die vielen Unbekannten (z.B. Tariferhöhungen), die das Konsolidierungspapier enthielte, und hofft, dass eine Rechtsformänderung zeitnah realisiert wird. „Der Vergleich mit anderen Städten hinkt und beruht nicht auf seriösen Zahlen“, betont der Intendant. So könne man das Hagener Theater nicht mit dem Oberhausener Haus vergleichen, da Oberhausen über kein eigenes Orchester und keinen eigenen Chor verfüge.

Der Pro-Kopf-Zuschuss für das Hagener Theater beläuft sich auf 86 Euro, „das ist im NRW-Vergleich der niedrigste Zuschuss“, unterstreicht Hilchenbach.

Theater für die ganze Region

Durch eine Änderung der Theater-Rechtsform sei er von Synergieeffekten von mindestens 600 000 Euro ausgegangen, so Sven Söhnchen, kulturpolitischer Sprecher der SPD, „die vorgelegten Zahlen erscheinen alle recht vage.“ Einen Vergleich mit anderen Städten bewertet auch Söhnchen als schwierig: „Außerdem ist das Hagener Haus auch ein Theater für die Nachbarstädte, eben ein Theater für die ganze Region. Das Thema Gemeindeumlage darf deshalb nicht vom Tisch sein.“

Für Söhnchen ist, genau wie für Wolfgang Röspel (CDU), Vorsitzender des Kulturausschusses, eine Spartenschließung indiskutabel, und das Kinder- und Jugendtheater Lutz zukunftsweisend. Röspel hält alle Konsolidierungsideen, die das GPA-Papier enthält, für machbar und alternativlos und den Pro-Kopf-Kultur-Zuschuss im Vergleich zu anderen Städte „erschreckend hoch - da muss unbedingt was geschehen“.

Museumspädagogische Arbeit

Dringenden Handlungsbedarf sieht das Gutachten bei den Museen: Das Karl-Ernst-Osthaus-Museum und das Historische Centrum belegen mit einer Belastung von fast 18 Euro je Einwohner den schlechtesten Wert innerhalb der Vergleichsstädte. Das Junge Museum im Untergeschoss des Osthaus-Museums mit 250 Quadratmetern Fläche sowie einem Nebenraum, der ebenfalls für museumspädagogische Arbeit genutzt werden kann, würde, so das Papier, zu wenig für „junge Zwecke“ genutzt und daher als unwirtschaftlich eingestuft. Laut Papier fanden bislang in 2012 sieben 45-Minuten-Führungen und 19 90-Minuten-Führungen mit Hagener Schulklassen statt, auswärtige Schulen buchten insgesamt vier Führungen. Vorschlag der GPA: „Wir empfehlen, die zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten einer wesentlich effizienteren Nutzung zuzuführen und ein entsprechendes Raumkonzept auszuarbeiten. Die Verlagerung des Historischen Cen­trums in die Räumlichkeiten des Osthaus-Museums bietet zahlreiche Synergieeffekte.“

Marketingkonzept fehlt

Auch der Kulturdezernent hält den Umzug für sinnvoll. Aus dem Kunst- würde ein Museumsquartier, das Historische Centrum rücke ins Zentrum, Miet- und Personalkosten könnten eingespart werden. Knackpunkt: Der Mietvertrag des Historischen Centrums in der Wippermann-Passage läuft noch bis 2018. Auch Söhnchen und Röspel würden den zeitnahen Umzug begrüßen (Röspel: „Dadurch würde das Kunstquartier endlich belebt.“). Die mangelnde Aus­lastung der Museumspädagogik im Osthaus-Museum wertet Söhnchen als Beweis für die Dringlichkeit, endlich ein Marketingkonzept fürs Kunstquartier vorzulegen.

Tayfun Belgin, Direktor des Osthaus-Museums, kommentiert das Ergebnis der Unwirtschaftlichkeit des jungen Bereichs mit „man schaut nun, ob Optimierungen möglich sind. Der demnächst neu geschaffene Fachbereich Kultur soll dafür sorgen, dass die museumspädagogischen Bereiche intensiver zusammenarbeiten als bisher. Man muss einfach das Interesse an jungen Themen ­wecken, mit welchen Mitteln auch immer.“