Hagen. .

Der Mann ist ein wandelndes Lexikon, was die Gastro-Szene der Region angeht. Ob Sperrzeiten oder Spezialitäten-Restaurants, Kneipensterben oder Kegelclubs – Klaus Peter Kusch kann zu jedem Thema etwas erzählen. Kein Wunder, war er doch fast 40 Jahre Geschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) in Hagen. Die Betonung liegt auf war: Am 29. Februar räumte der 62-Jährige seinen Schreibtisch und trat in den Ruhestand.

Bezogen hatte der gebürtige Herner sein Büro im Jahr 1972 – zu Zeiten, die so gar nicht mit den heutigen zu vergleichen waren. „Damals“, erinnert sich Kusch, „war es schwer, überhaupt Mitarbeiter und Auszubildende zu bekommen. Denn in der Industrie wurde immer weniger gearbeitet, während es beispielsweise im öffentlichen Dienst mehr zu verdienen gab.“

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Es waren aber auch die Zeiten der Kegelclubs und Stammtische, in denen es Kneipen gab wie Sand am Meer. In Hagen bildeten Gaststätten wie „Spinne“, „Max“ oder „Ratskeller“ das sagenumwobene „Bermudadreieck“. „Diesen Begriff hat man dann später in Bochum übernommen“, erzählt der Neu-Ruheständler nicht ohne Stolz. Fast drei Jahrzehnte später sieht er die Kneipenschwemme der 80er-Jahre aber differenzierter. „Das waren einfach zu viele gastronomische Betriebe“, glaubt Kusch heute. Was unter anderem an der Verpachtungspolitik der Brauereien gelegen habe: „Denn die Wirte kamen aus ihren Verträgen nicht mehr raus.“

Viele Gastronomen mussten schließen

Ein Überangebot an ausländischen Gaststätten habe damals zudem dazu geführt, dass viele deutsche Gastronomen auf der Strecke blieben: „Die typisch deutschen Wirte und Wirtinnen sind schleichend ausgestorben.“ Andererseits hätten Italiener, Griechen oder Jugoslawen die Szene seinerzeit auch positiv beeinflusst – unter anderem in Sachen Freundlichkeit und Öffnungszeiten: „In vielen deutschen Restaurants blieb die Küche vorher nämlich ab 20.30 Uhr kalt. Das hat sich dann geändert.“

Dem Überangebot folgte ein Rückgang, der so gravierend war, dass er sogar einen Namen bekam: Kneipensterben. Der weit verbreiteten Meinung, dieser Schwund hinge ausschließlich mit den leeren Portemonnaies potenzieller Gäste zusammen, will sich Kusch nicht anschließen. „Die Schwierigkeiten begannen bereits, als das Girokonto eingeführt wurde“, erläutert der 62-Jährige – und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Plötzlich wussten die Ehefrauen nämlich, was ihr Mann wirklich verdiente.“ Die Tage der ach so beliebten Lohntütenbälle waren gezählt.

„Man kann sein Geld nur einmal ausgeben“

„Mit Aerobic ging es dann weiter“, verweist der Experte außerdem auf ein verändertes Freizeitverhalten, „denn auf einmal besaß man Alternativen zum Fernseher und zur Kneipe.“ Auch Kellerbars, die es nun in fast jedem Eigenheim gab, und die stetig wachsende Anzahl an Vereinsfeiern erwiesen sich der Kneipenkasse alles andere als zuträglich. „Denn sein Geld kann man ja nur einmal ausgeben.“

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Bei den Restaurants habe es einen solchen Rückgang indes nicht gegeben – vielmehr sei ein Wandel erfolgt. Statt gutbürgerlicher Gaststätten prägen heute Fastfood-Tempel die Innenstadt, den Mittagstisch – einst eine wichtige Einnahmequelle – ersetzte das inzwischen ungleich wichtigere Abendgeschäft. „Insgesamt ist die Vielfalt aber sogar größer geworden“, weiß Kusch.

Wenngleich er selbst keinen Einfluss mehr darauf hat, wagt der 62-Jährige doch einen Blick in die Zukunft der Gastroszene. „Sie muss sich der Gesellschaft anpassen“, sagt er, „Online-Marketing und Facebook werden immer wichtiger.“ Gäste würden künftig auf ihr Handy gucken und dann entscheiden, wo sie abends hingehen. „Das ist eine große Herausforderung“, glaubt Klaus Peter Kusch. „Aber auch eine Chance.“