Hagen. .
Den neun Opfern der Neonazi-Mordserie soll morgen bundesweit um 12 Uhr mit einer Schweigeminute gedacht werden. Auch Oberbürgermeister Jörg Dehm hat für seine Stadt alle Bürger dazu aufgerufen. Ob in der Schule, im Büro oder an der Werkbank – je nach Gegebenheit haben sich Firmen und Institutionen bereits vorbereitet.
„Selbstverständlich beteiligt sich unsere Schule an der Schweigeminute. Leider haben wir keine Möglichkeit, das mit einer Durchsage anzukündigen. Aber es geht auch anders“, hat sich Johannes Krüsemann, Schulleiter des Ricarda-Huch-Gymnasiums bereits mit der Thematik vertraut gemacht. So ist jeder Lehrer heute in der fünften Stunde aufgefordert, den regulären Unterricht für einige Minuten zu unterbrechen, um mit den Schülern vor 12 Uhr über das Thema zu sprechen.
Aktion an Schulen von besonderer Bedeutung
„Die Schüler sehen ja auch an der Schule die Trauerbeflaggung und wollen natürlich wissen, was es damit auf sich hat. Altersgemäß wird das Thema angesprochen. Und ich glaube auch, dass die Jüngeren verstehen, warum wir die Schweigeminute abhalten. Es handelt sich ja um rechte Gewalt und um Mord.“ Der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund an seiner Schule sei hoch, so Krüsemann. Daher sei solch eine Aktion von besonderer Bedeutung. Schwieriger gestaltet sich die Umsetzung an den Grundschulen. „Unsere Schüler kennen diese Thematik überhaupt nicht. Dies zu erklären, ist nicht leistbar“, sagt Karl-Heinz Langer, Schulleiter der Gemeinschaftsgrundschule Geweke. „Wir haben das mal beim Tsunami gemacht. Den haben die Schüler alle mitbekommen.“
Geschwiegen wird am Donnerstag um 12 Uhr auch auf der Bühne des Theaters. Zwar findet dort um diese Zeit noch keine Vorstellung statt, aber es wird geprobt: „Bei uns herrscht am Mittag nicht nur in den Büros der Verwaltung schon Betriebsamkeit. Daher wurden alle Kollegen per Rundmail informiert und ich gehe davon aus, dass es morgen um 12 Uhr im Haus ganz still ist“, so Theatersprecherin Monika Martincevic.
Per Rundmail hat Oberbürgermeister Jörg Dehm übrigens jeden Mitarbeiter aufgefordert, während der Schweigeminute inne zu halten. „Das gilt natürlich auch für die Ämter mit Publikumsverkehr. Jeder Mitarbeiter ist dann um 12 Uhr berechtigt, eine Minute lang die Arbeit zu unterbrechen. Wer einen Kunden hat, sollte ihn dann auch zum Mitmachen auffordern. Natürlich ist das aber für jeden freiwillig“, erläuterte Stadtpressesprecher Raab.
Industrie und Handel unterstützen Aufruf
Kunden der Sparkasse werden sich ebenfalls um 12 Uhr auf Mitarbeiter einstellen müssen, die dann für einen Moment kein Geld auszahlen. „Wir nahmen nicht explizit darauf hingewiesen, aber natürlich ist es aus diesem Anlass jedem Mitarbeiter freigestellt, sich zu beteiligen. Das gilt für diejenigen, die allein im Büro sitzen aber auch für die Mitarbeiter im Kundenbereich“, so Sparkassensprecher Thorsten Irmer.
Einen Augenblick ruhen wird die Arbeit auch in den Industriebetrieben wie etwa den Deutschen Edelstahlwerken in Wehringhausen. „Bei uns gehört Migration zum Arbeitsalltag – und zwar von der Ausbildung bis zur Rente“, begründet Betriebsratsvorsitzender Jens Mütze die Teilnahme. Auch die Douglas-Gruppe unterstützt diesen Aufruf grundsätzlich und stellt allen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern frei, sich an dieser Schweigeminute zu beteiligen und so den Opfern rechtsextremer Gewalt zu gedenken. Unterstützung findet die Aktion auch bei Mark E. Uwe Reuter: „Jeder kann sich beteiligen. Es sollte aber der Arbeitssituation angepasst sein.“
Die bundesweite Mordserie an Kleinunternehmern mit Migrationshintergrund wurde in den Jahren 2000 bis 2006 in verschiedenen Großstädten Deutschlands verübt, darunter auch in Dortmund. Seit November des vergangenen Jahres stehen die der Neonazi-Szene zuzuordnenden mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die am 4. November Selbstmord begingen, und die ebenfalls des Terrorismus beschuldigte Beate Zschäpe, die sich Ende des vergangenen Jahres der Polizei stellte, unter Mordverdacht.