Hagen. . Die Kleingärtner der Anlage Eisenbahner-Landwirtschaft leiden unter dem Verkehrslärm der sechsspurigen A1. Doch das Land will nichts unternehmen - schließlich hätte seinerzeit niemand gegen den Ausbau Einspruch eingelegt. Die Senioren sind hilflos.

Die Kleingartenanlage Eisenbahner-Landwirtschaft liegt in einem Lärm-Dreieck. Die 49 Parzellen werden von der vorbeirollenden Eisenbahn beschallt und von den nahen Fabriken des Industriegebietes Bathey. Vor allem aber dröhnt der Lärm der Autobahn 1 in die Gärten der kleinen Leute: „Manchmal ist das Rauschen ist so stark, dass man sich nicht einmal unterhalten kann“, beschreibt Barbara Schewe (62) den Geräuschpegel.

Vor vier Jahren wurde die A1 zwischen Westhofener Kreuz und der Ausfahrt Hagen-Nord auf sechs Spuren erweitert. Im Rahmen des sogenannten Planfeststellungsverfahrens war Anwohnern und sonst wie Betroffenen zuvor die Möglichkeit eingeräumt worden, Bedenken gegen den Ausbau geltend zu machen. Auch die Kleingärtner wurden angeschrieben.

„Verstanden haben wir das alles nicht so richtig“, gibt Wolfgang Heitmann (70) zu. 40 Jahre und länger war er Lastwagenfahrer. Wie die meisten Parzellenbesitzer hat er ein Leben lang geschuftet und will nun in seinem Kleingarten die Rente genießen. Heinrich Schewe (65) hat im Versand gearbeitet, Etem Orak (67) war Maschinenführer, nur Manfred Holtschmidt (63) ist noch berufstätig. „Schreiben Sie, dass ich Arbeiter bin“, sagt er.

Arbeiter und keine Juristen

In den behördlichen Briefen ist von der Bundesimmissionsschutzverordnung die Rede, von lärmempfindlichen Gebietsarten, vom bauplanungsrechtlichen Außenbereich und von immissionsschutzrechtlichen Gesichtspunkten. Die Eisenbahner-Kleingärtner haben seinerzeit nicht gegen den A1-Ausbau protestiert, als sie hätten protestieren müssen, sie sind Arbeiter und keine Juristen.

Den bürokratischen Jargon, mit denen sie von Inspektoren, Assessoren und Direktoren aus irgendwelchen Amtsstuben heraus bombardiert wurden, haben sie nicht verstanden, und als sie dann zu einer A1-Ausbauparty mit Würstchen und Bier eingeladen wurden, redeten sie sich ein bzw. ließen sich einreden, eine sechsspurige Autobahn werde schon nicht viel lauter sein als eine vierspurige. „Lärm sind wir hier ja schließlich gewohnt“, sagt Heitmann und deutet auf einen vorbeifahrenden Zug. „Aber im Nachhinein kommt mir das alles so vor - ich weiß nicht, wie ich das sagen soll -, als ob wir ruhig gestellt werden sollten.“

Eine sechsspurige Autobahn ist wesentlich lauter als eine vierspurige, das wissen die Kleingärtner jetzt. Von der Lennebrücke dröhnt der Verkehrslärm herunter in ihr Terrain, es gibt keine Geschwindigkeitsbegrenzung auf der A1, keine Bepflanzung und erst recht keine Lärmschutzwand, die den Krach der vorbeisausenden Laster, Autos und Motorräder schlucken würde.

Vom Staat im Stich gelassen

Als sich Heitmann - zu spät - endlich doch zu beschweren wagte und anregte, den Verkehrslärm zu messen, wurde er von einem Beamten gerügt, man messe den Lärm nicht, sondern berechne ihn. Außerdem wurde er von der Bezirksregierung ebenso kaltherzig wie süffisant daran erinnert, er habe doch seinerzeit nichts gegen den Autobahnausbau vorzubringen gehabt: „Die sich durch dieses Versäumnis ergebenden Konsequenzen müssen Sie daher leider gegen sich wirken lassen.“

So ist das, so von oben herab werden Bürger, die sich nicht wehren können, eine Frist versäumen oder ein aufwändiges Verfahren scheuen, abgekanzelt. Die Kleingärtner haben ein Leben lang gearbeitet und Steuern gezahlt und jetzt, wo der Staat einmal etwas für sie tun könnte, werden sie im Stich gelassen. Bei Südwestwind und nasser Fahrbahn sei das Tosen der sechsspurigen A1 ohrenbetäubend, sagt Manfred Holtschmidt. Es wird wohl nichts werden mit einem beschaulichen Lebensabend im eigenen, kleinen Garten.