Ungefähr 150. Jeden Monat. Mal etwas weniger, oft genug deutlich mehr. Aber im Jahresschnitt erwartbar: 150. Diese eine Zahl, die reicht für mich, um die Sinnhaftigkeit – mehr noch, die Unverzichtbarkeit des kontrollierten Taubenschlages im alten Stadtarchiv an der Rathausstraße zu manifestieren.
150 Eier nämlich nehmen die vorwiegend ehrenamtlichen Betreuer des Taubenschlages den Tieren aus den Gelegen einfach frech weg, ersetzen sie durch Gipseier und gaukeln den Vögelchen vor, sie würden durchaus ihrem unbändigen Fortpflanzungstrieb zum Arterhalt nachkommen. 150 Eier, jeden Monat.
Da stelle ich mir dann illustriert vor, es würden Monat für Monat annähernd — sagen wir mal – auch nur 100 entzückende kleine Taubenküken ausgebrütet und wüchsen zu stattlichen Stadttauben heran. 1200 Tauben jedes Jahr, aber zusätzlich, wohlgemerkt, zu den vielen Hundert Vögeln, die jetzt in der ganzen Innenstadt schon leben! Jedes Jahr.
Über den Aspekt, dass sich in einem kontrollierten Schlag tierliebe und kundige Menschen auch um kranke und verletzte Tiere kümmern, will ich an dieser Stelle gar nicht reden. Klammer auf: und auch gar nicht über den doppelt so großen Schwarm Stadttauben, die unkontrolliert, weil ohne Schlag, in der Bahnhofsgegend vegetieren. Und sich rapide vermehren. Klammer zu.
Halten wir fest: Ohne das Taubenhaus auf dem Stadtarchiv sähe es in unserer City aber so etwas von besch... aus.
Und jetzt der eigentliche Skandal zum Sonntag: Um die Unverzichtbarkeit des Taubenschlages wissend, lässt die amtierende Stadtspitze volle zweieinhalb Jahre verstreichen, in denen die neue „Rathaus-Galerie“ konzipiert, geplant und schließlich genehmigt wird. Am ersten Tag dieser zweieinhalb Jahre war völlig klar, dass der Taubenschlag auf dem ollen, baufälligen Archivgebäude dem protzigen Einkaufspalazzo weichen muss.
Im März wird das Archiv abgerissen. Vorgestern – ja, wirklich! – erst vorgestern entschied die Stadtspitze, dass ein neuer Taubenschlag aufs Rathausdach gebaut werden muss. Weil alle alternativen Standorte in der Innenstadt aus vielerlei Gründen nicht zum Tragen kommen. Und weil jetzt einfach keine Zeit mehr für lange Verhandlungen mit Hausbesitzern und Parkplatzbetreibern ist.
Zweieinhalb Jahre gehen ins Land, zweieinhalb Wochen vor Ultimo wird die denkbar schlechteste aller Lösungen beschlossen. Noch eine Klammer auf: Wo genau aufs Rathausdach und mit welchem Geld die Tauben eine neue Residenz bekommen, ist immer noch nicht entschieden. Klammer zu.
Herrschaften, ich konstatiere: Die amtierende Stadtspitze ist an der Aufgabe, nachhaltig für ein paar Tauben zu sorgen, kläglich gescheitert.
Und denen vertrauen wir das Wohl und Wehe der ganzen Stadt an?
Na, dann schönen Sonntag aber auch.