Hagen.

In Findungskommission und Aufsichtsrat hatte Dr. Marco Boksteen (31), designierter Geschäftsführer der Hagener Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft (HGW), noch bei sämtlichen Beteiligten einen glänzenden Eindruck hinterlassen. Doch seine Vorstellungsauftritte in einigen Fraktionen sowie ein wenig schmeichelhaftes Bonitätsrating einer Wirtschaftsauskunft lassen Zweifel an den Qualitäten des Oberhauseners aufkommen.

Knapp 140 Bewerber hatten sich für die Nachfolge von HGW-Geschäftsführer Harald Kaerger, der Ende Februar 2012 den Chefsessel des kommunalen Wohnungsunternehmens räumt, interessiert. Gerade einmal vier Kandidaten, die von der Düsseldorfer Unternehmensberatung Deininger herausgefiltert wurden, schafften es letztlich in die finale Vorstellungsrunde. In dieser setzte sich der promovierte Jurist Boksteen, der seine Doktorarbeit zu einem Randthema der Verdingungsordnung Bau („Die Systematisierung von Nachtragsansprüchen“) verfasste, durch.

Keine Zweifel an Führungsqualitäten

Als letzte Hürde muss heute im nicht-öffentlichen Teil jetzt noch der Rat den Karriereschritt des Genossen, der wie der neue Stadthallen Chef Jörn Raith ebenfalls aus Oberhausen kommt, auf den Weg bringen. Damit würde Boksteen, der in seinen Unternehmen die Duz-Kultur favorisiert, zum drittjüngsten Mitarbeiter der 40-köpfigen HGW-Mannschaft werden – lediglich zwei gerade erst übernommene Azubis zählen weniger Lebensjahre.

Für die Findungskommission jedoch kein Anlass, an den Führungsqualitäten des Mannes mit surinamischen Wurzeln zu zweifeln. Die von Headhunter Stefan Schubert, Partner bei der Deininger Unternehmensberatung, zusammengestellte Vita ließ keinen Zweifel daran, dass der Geschäftsführer der Ruhrwert Immobilien und Beteiligungs GmbH, der zugleich Führungsrollen bei der Berliner Cama Leonte GmbH (Konzeption von innovativen Ideen und Projekten) und der Düsseldorfer Contracter GmbH (Business Development) inne hat, sich bislang beruflich ausschließlich auf der Überholspur bewegte.

„Unternehmen mit hohem Risiko“

Allerdings hat die HGW – im Gegensatz zu den sonstigen Gepflogenheiten bei jedem neuen Mieter – darauf verzichtet, bei der renommierten Wirtschaftsauskunft „Creditreform“ sich nach dem finanziellen Leumund des Bewerbers zu erkundigen. Dort wird der Ruhrwert Immobilien und Beteiligungs GmbH lediglich eine „mittlere Bonität“ deutlich unter dem Bundesdurchschnitt attestiert.

Heruntergebrochen auf die Bewertungsklassen der Finanzdienstleister wird das Boksteen-Stammhaus mit seinem weltmännisch-protzig anmutenden Internetauftritt sogar nur in die Ratingstufe 5 als „Unternehmen mit hohem Risiko“ eingeordnet – ähnlich wie die Schulnote mangelhaft.

Der federführende Personalberater Schubert macht hingegen gegenüber dieser Zeitung deutlich, dass es keine Veranlassung gebe, an den Führungsqualitäten des 31-Jährigen zu zweifeln. Einschließlich der Beteiligungen und der Auszubildenden handele es sich bei der Ruhrwert Immobilien GmbH um ein gesundes Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen mit acht Beschäftigten, das quasi ohne Aktiva und Passiva sowie ohne Fremdkapital auskomme.

Am Standort Oberhausen, so Schubert, sei die Firma von Marco Boksteen, der zeitgleich mit dem HGW-Aufsichtsratsvorsitzenden Timo Schisanowski in Bochum Rechtswissenschaften studierte, „ein großer Mitspieler“. Die Bonitätsauskunft der Creditreform sei ohne fundierte Basis, weil die Ruhrwert bislang ohne echte Kredithistorie sei. Die Gehälter der Beschäftigten würden „aus dem Cashflow beglichen“.

In der Ratssitzung haben heute alle Skeptiker noch einmal die Chance, Boksteen auf den Zahn zu fühlen.