Hagen. Eine 61-Jährige kassierte fleißig Arbeitslosenhilfe, doch wohl viel mehr Geld floss durch heimliche Sextelefonate aufs Girokonto. Jetzt fordert die Hagener Agentur für Arbeit von der Witwe mehr als 27. 000 Euro zurück. Zudem verurteilte das Gericht sie zu neun Monaten Haft auf Bewährung.

Als Gudrun G. in den Gerichtssaal stapft und zwei Zentner in der Anklagebank versinken, gibt sich Strafrichter Albrecht Bogumil besondere Mühe, neutral zu schauen. Die Frau mit dem hennarot gefärbten Haar wirkt wie eine leibhaftige Schwester von Trude Herr. Es fällt schwer zu glauben, dass sie in der Erotikbranche erfolgreich ist.

Zwischen Februar 2008 und Februar 2010, so der Vorwurf der Anklage, habe Gudrun G. Leistungen von der Agentur für Arbeit erhalten, die ihr eigentlich nicht zustanden. Zwar war sie offiziell arbeitslos gemeldet, doch in Wahrheit hing die Witwe regelmäßig in einer Telefon-Hotline und hauchte in den Hörer.

35 Euro für 20-Minuten-Telefonat

Eine lukrative Einnahmequelle, die sich vornehm „Adult Entertainment“ nennt, mit „Erwachsenen-Unterhaltung“ aber nur unzureichend übersetzt ist. „Kein leicht verdientes Geld“, meint Anwalt Jens Regeniter (Schwelm).

„Ich saß in einer Telefonagentur in Solingen in einem Großraumbüro. Kabine an Kabine mit vielen Frauen“, gewährte Gudrun G. vor Gericht tiefe Einblicke in die abgeschottete Branche. „Ringsherum ging es zu wie in einem Taubenschlag. Da fiel es mir schon sehr schwer, mich auf fantasievolle Gespräche zu konzentrieren.“

Für ein 20-Minuten-Telefonat hatte der Kunde 35 Euro zu zahlen, 25 Euro davon behielt die Agentur, zehn Euro blieben der Telefonistin. Doch wie kommt eine gelernte Drogistin an diesen Job? „Über eine Annonce. Ich bin Amateurin, habe dort nur gearbeitet, um meinem Freund Hartz IV zu ersparen.“ Der Freund: 32 Jahre jünger, ein Student.

Neun Monate Haft auf Bewährung

Richter Bogumil schluckte, verkündete das Urteil: neun Monate Haft auf Bewährung und 100 Stunden soziale Hilfsdienste. Die will Gudrun G. in einem Krankenhaus ableisten. Von der Witwenrente (767 Euro), die sie inzwischen erhält, muss sie zudem die 27.079,22 Euro abstottern, die sie zu Unrecht als Arbeitslosengeld kassiert hatte.

„Dass so ein Erotikjob mal auffliegt, ist ein absoluter Einzelfall“, weiß Ulrich Brauer, Sprecher der Hagener Arbeitsagentur. „Die Dunkelziffer könnte aber durchaus höher sein.“