Rummenohl. .

Naturbeobachtungen in Ruinen: Auf dem stillgelegten Schornstein hockt ein Steinkauz, duckt sich unter das Ziegeldach des Kamins. In dem ehemaligen Sprengstoff- und Dynamitwerk, das sich durch das Sterbecker Tal zog, hat sich die Natur in vielen Ritzen breit gemacht, sich Fassaden und Fensterhöhlen zurückerobert.

„Der Steinkauz wohnt da schon in der vierten Generation“, scherzt Willi Wied. Wied kennt die Gegend wie seine Westentasche, er ist hier groß geworden – heute führt er als Mitglied des Sauerländischen Gebirgsvereins knapp 40 Leute durch das Sterbecker Tal, auf den Spuren von „Pulver, Höhlen, Geisterstädten“.

Der Titel hält, was er verspricht. Die Strecke ist mystisch. Rechts und links des Weges liegen verfallene Häuser und Gebäude einer Fabrik, die sich 1904 im Volmetal ansiedelte und 1932 stillgelegt wurde: die „Castroper Sicherheitssprengstoff AG Dortmund“. Auf der Trasse der ehemaligen Werksbahn trabt die gut gelaunte Gruppe in den Wald. Zwei Hunde laufen mit – und nur ein Kind. Dabei ist diese WR-Wanderung wirklich abenteuerlich. Idyllisch ist es auch. Die Blätter leuchten intensiv grün, gelb und rot. Eine Wohltat fürs Auge.

Überhaupt findet Manfred Rust aus Haspe, Wandern sei prima für den ganzen Körper: „Ich war schon drei Jahre nicht beim Arzt.“ Stattdessen aber regelmäßig zu Fuß und auf dem Rad unterwegs. „Das hilft.“ Damit werde man locker 70. Im vergangenen Jahr lief er 540 Kilometer, im Sterbecker Tal sind’s rund zehn.

Der Sterbecker Bach begleitet die Wanderer ein Stück, mäandert neben dem Weg. Auf dem Gelände der Fabrik, die täglich 6000 bis 7000 Kilogramm Sprengstoff für den Berg- und Straßenbau mischte, befanden sich auch Werkswohnungen. „Dort quartierte man nach dem Krieg Hagener ein, die ausgebombt waren“, erzählt Wied. Sie fühlten sich wohl dort und blieben eine lange Zeit, bis das Gelände vor rund 40 Jahren an einen Privatmann verkauft wurde. Die Häuschen duckten sich damals hinter Erdwälle. Bis auf einen sind alle abgetragen. In den Wohnungen wachsen heute Büsche und Birken.

Während sie im Tal Sprengstoff fabrizierten, produzierte man auf dem Berg Dynamit. Das war explosiver. Ein Lager ging damals hoch, der Staub wirbelte bis Breckerfeld. Davon zeugt noch ein großräumiger Krater. Manche Stätten sprengte man kontrolliert, als die A 45 gebaut wurde. Serpentinenartig schlängelt sich der Weg den Berg hinauf, bis unterhalb der Autobahn im Kaltenborn.

Ganz verlassen ist die Geisterstadt nicht. Nico (11) hält seine Hand hoch: Dort hockt ein kleiner Grasfrosch. Er wohnt im Umfeld der Geisterstadt, feucht ist es hier überall. Für die Dynamitherstellung war viel Wasser notwendig, zur Kühlung. Neben den steinernen Überresten hat die Sprengstofffabrik auch ein grünes Erbe hinterlassen: den Faulbaum. Seine Holzkohle brauchte man für das explosive Gut und siedelte ihn eigens im Hagener Süden an. Er überwucherte die Zeit.