Hagen. .

Das Theater hat am Jubiläumswochenende viel von dem gezeigt, was es kann – vor allem bunt und bereichernd sein. Insbesondere die lange Nacht am Freitag bot Vielfalt und mündete in eine Besonderheit: die Mitternachtspremiere des Jugendstückes „Ehrensache“ auf der Bühne des Lutz’.

Bühne? Die gibt es nicht, wie gewohnt, in der Hagener Neuinszenierung. Der Spielraum ist vielmehr aufgeweitet: mehrere schiefe Ebenen kreuzen sich wie Straßen. Bei Werner Hahn (Regie) und Caroline Nöding (Dramaturgie) erfüllt die Geschichte um vier junge Menschen fast die Merkmale eines Kammerspiels: Das Geschehen ist konzentriert auf die Gespräche zwischen den Figuren. Die dankbar sparsame Ausstattung von Jeremias Vondrlik verstärkt die Wirkung des dramatischen Stückes. Getragen wird sie von fünf Personen und deren dichtem Spiel. Sie alle halten die Spannung für knapp anderthalb Stunden intensiv aufrecht. Im Zuschauerraum herrscht Ruhe, kein Hüsteln oder Räuspern ist zu hören.

Gemeinsam steuern die egozentrische Ellena, die kumpelige Ulli, der extrovertierte Sinan und der coole Cem auf die Katastrophe zu. Eigentlich wollen sie einen Tag gemeinsam verbringen, Spaß haben. Doch schnell wird deutlich: Es gibt kein Miteinander. Vor allem Ellena und Cem können sich nicht auf andere einlassen. Jenna Schulz und Hadi Khanjanpour stellen die beiden überzeugend kompromisslos und egozentrisch dar. Daran scheitern die zwei anderen. Meike Strehls Ulli wird – beinahe körperlich spürbar – regelrecht aus dem Leben geschleudert. Arne Obermeyer darf erst den Hofnarr Sinan geben, der nach und nach jedoch verstummt. Symbolhaft. Das Quartett ist nicht in der Lage, sich über seine Gefühle auszu-tauschen.

Dabei müssen Cem und Sinan nach der Bluttat – Ellena ist tot, Ulli schwer verletzt – reden: mit dem Gerichtspsychologen Kobert (beherrscht: Firat Baris Ar). An seiner Figur wird widergespiegelt, dass die Jugendlichen vollkommen unterschiedliche Wahrnehmungen dessen haben, was abläuft. Seine Figur hat einen zentralen Stellenwert im Stück.

Zufrieden lehnte Lutz Hübner, Autor des Jugendstückes, nach der Premiere am Tresen. „Das Stück ist sehr, sehr gut besetzt. Es erzeugt große Emotionalität. Was kann einem Besseres im Theater passieren, als von einem Stück berührt zu werden?!“ Hübner ist froh über die Wiederaufnahme von „Ehrensache“ in Hagen. Inzwischen wird sein Werk auch im Ausland gespielt. Vergleicht man da die unterschiedlichen Produktionen? „Ich habe keine Chartliste“, wehrt Hübner ab. „Ich gucke jedes Mal selbst mit den Augen eines Zuschauers.“

Und bei den Zuschauern kommt die Hagener Version gut an. „Es war von der ersten bis zur letzten Sekunde spannend“, urteilte Jenny Schulz nach der Vorstellung im Foyer. Ihr Begleiter Thomas Ottensmann ergänzte: „Die Inszenierung ist toll. Die Dialoge wirken sehr authentisch. Genau so könnten sie abgelaufen sein.“ Für die Premiere um Mitternacht, die sie „originell“ fanden, sind die Zwei extra aus dem Sauerland und Münster angereist. „Nach so einem Abend muss man sich dringend vornehmen, wieder öfters ins Theater zu gehen.“

Karten unter 207-3218 oder www.theaterhagen.de; Gruppenbuchungen unter 207-3223 oder tillmann.schnieders@stadt-hagen.de („Ehrensache“ empfohlen ab 14 Jahren).