Hagen. .

Nirgends kommt man den Sternen näher in Deutschland als in Oberpfaffenhofen. Hier arbeitet Sinje Steffen mit Blick auf das Weltall. Die Hagener Diplomingenieurin der Elektrotechnik ist im Columbus-Kontrollzentrum für Lebenserhaltung, Kühlung und Energie des Columbus-Moduls an der Internationalen Raumstation ISS verantwortlich.

„Houston, wir haben ein Problem“: Der Notruf der Apollo-13-Mannschaft 1970 an das Kontrollzentrum in Houston ist legendär. Auf dem Raumschiff war während des Fluges zum Mond ein Tank explodiert; die Mannschaft schaffte es mit viel technischer Improvisation lebend auf die Erde zurück.

Niemals möchte Sinje Steffen während ihrer Schicht solche Worte hören. Ihre Arbeit ist auch ohne Notfälle spannend genug. Denn die Columbus-Mission ist nur möglich durch ein hellwaches Ineinandergreifen von Kompetenz im Kosmos und am Boden. „Die einzigen Menschen im All sind derzeit auf der ISS. Dass ich da mitarbeiten und während meiner Dienststunden eine schöne Verantwortung tragen kann, das ist schon sehr aufregend, da ist man stolz“, beschreibt die 33-Jährige ihren Traumjob.

Ein Arbeitsplatz der ein wenig aussieht wie der Schreibtisch von Mr. Spock

Unter einem Raumfahrt-Kontrollzentrum stellt man sich im Science-Fiction-Roman ein futuristisches Office vor. Ein bisschen wirkt das auch in der Realität so. Sinje Steffen sitzt an einer halbrunden Konsole mit Monitoren in einem großen Kontrollraum. Weitere Konsolen beherbergen die Verantwortlichen für die Experimente, die Aufbewahrung und die Kommunikationsexperten. Sinje Steffens Arbeitsplatz kann man sich im Raumschiff-Enterprise-Jargon als eine Mischung aus den Schreibtischen von Mr. Spock und Schiffsingenieur Scotty vorstellen.

„Ich habe zehn Bildschirme vor mir, die ich immer screenen muss. Auf drei Monitoren habe ich nur Telemetrie, Werte, die ständig von der ISS zu uns gesendet werden. Da kann ich jederzeit sehen, was für Werte all die verschiedenen Geräte haben, die Wasserpumpen, die Ventilation. Das sind viele Daten. Da braucht man doch einige Erfahrung, um zu sehen, was wo ist und welche Werte Sinn machen.“ Ein Warn-System markiert Veränderungen, dazu gibt es akustische Alarmsignale.

In drei Schichten arbeiten die Ingenieure und Wissenschaftler rund um die Uhr. Die Übergabe wird besonders sorgfältig gehandhabt. „Damit der Vorgänger einen einweisen kann, zum Beispiel: Ich habe auf die zweite Wasserpumpe umgestellt in Vorbereitung auf die Wasserprobe, die in deiner Schicht genommen werden soll“, schildert die Ingenieurin: „Einmal hat mich ein Astronaut gelobt, dass ich einen großartigen Job machen würde. Da fühlt man sich wie Superwoman.“

Schon als Kind wollte Sinje Steffen bei der NASA mitmachen

Schon als Kind wollte Sinje Steffen zu den Sternen, erzählte ihren Eltern, dass sie später einmal bei der NASA mitmachen würde. Nach dem Studium arbeitete sie zunächst bei der ESA im holländischen ESTEC, dann an der Universität Uppsala (Schweden) an einem Forschungsprojekt zu Dünnfilm-Solarzellen, bis sie auf einer Internetseite die Stellenausschreibung aus Oberpfaffenhofen sah. „Im Februar bin ich sogar nach Houston zur NASA geflogen, als Dienstreise. Da dachte ich mir: Ja, da bin ich endlich hier.“

Die Arbeit ist anspruchsvoll. Unerfahrene werden nicht an die Konsolen gelassen. Ein Jahr lang wurde Sinje Steffen für ihre Aufgabe trainiert. Besonders komplex ist zum Beispiel die Kommunikation. Sie funktioniert über sogenannte Loops, spezielle Frequenzschleifen. „Ich habe zehn Loops, denen ich nonstop zuhören muss. Wenn auf dreien welche sprechen, wird es schon schwierig. Mein sogenanntes Rufzeichen ist COL Systems, das muss ich aus all dem Stimmengewirr immer raushören können. Das lernt man mit der Zeit.“

Für zwei Wochen gerne mal selbst ins All fliegen

„Die ISS ist zur Zeit das modernste und großartigste, technologisch meist entwickelte Gerät der Menschheit“, begeistert sich die Hagenerin. „Was mir sehr gefällt, ist das ganze internationale Flair. Die Enkel von Leuten, die vor 65 Jahren Krieg gegeneinander geführt haben, die arbeiten hier zusammen, Amerikaner, Japaner, Russen, Europäer. Das funktioniert. Und es ist auch sehr aufregend.“

Ob sie Science Fiction mag? Klar. Aber nicht nur als phantastische Utopie: Sinje Steffen unterstreicht: „Wir machen Science Fiction.“ Und selber rauf ins All? „Ich würde auf jeden Fall ins All fliegen, für ein, zwei Wochen, aber ich würde nicht gerne ein halbes Jahr oben bleiben.“