Hagen. .

Der Typ hat’s gepackt und eine politische Karriere par excellence hingelegt. Henning Wehn ist Ambassador to the United Kingdom – oder genauer gesagt: Er bezeichnet sich selbst als Deutschlands Comedy-Botschafter fürs Vereinigte Königreich. Und der Erfolg gibt im Recht: Ungezählte Live-Shows sowie regelmäßige Fernseh- und Radioauftritte stehen in seinem Terminkalender. Als einziger der vermeintlich so humorlosen „Krauts“ hat sich der Hagener als Profi-Comedian auf der Insel durchgesetzt.

Der Prophet gilt nichts im eigenen Land, sagt das Sprichwort. Da ist offenbar was dran, denn als sich der 37-Jährige beim Heimaturlaub in Hagen genüsslich ein Eis-Spaghetti im Volkspark-Café reinschaufelt, erkennt ihn kein Mensch. „Natürlich ist es bei mir auch in England nicht so, als marschiere gerade Michael Ballack vorbei“, sagt Wehn, „doch gerade, wenn ich zuvor einen TV-Auftritt hatte, besitze ich auf der Straße schon einen Wiedererkennungswert.“ Den hat der Emster aber eigentlich auch so – spätestens, wenn er mit Spießer-Cordhut und schwarz-rot-goldenen Hosenträgern durch die Gegend läuft, sieht er ziemlich schräg aus. Und schräg, oder besser außergewöhnlich, verlief auch sein bisheriges Leben.

„Hagen? Kenn ich. Aber nur aus der Luft.“

Aufgewachsen in Hagen, Abi am THG, BWL-Studium in Münster. Normaler geht’s nicht, möchte man meinen. Doch Henning Wehn war schon immer ein bisschen anders. Er machte gern den Pausenclown und interessierte sich für Gott und die Welt. Anders ist wohl kaum zu erklären, dass er nach dem Studium einfach mal Bewerbungsschreiben an alle 92 englischen Profi-Fußballclubs abschickte. Kaum zu glauben, aber der Drittligist Wycombe Wanderers machte den Deutschen tatsächlich zum Marketing-Manager. Der Hagener galt dort fortan als Kuriosität vom Kontinent; einzig ein alter Herr im Royal-Air-Force-Pullover wusste etwas mit der Heimatstadt des Deutschen anzufangen: „Hagen? Kenn ich. Aber nur aus der Luft.“

„Da hab ich mir gesagt: Das kannst du besser!“

Beim Kneipenbesuch im Jahr 2002 machte Wehn dann Bekanntschaft mit der in Großbritannien weit verbreiteten Stand-up-Comedy. Spaßvögel stiegen auf die Pub-Bühne und versuchten, das Publikum zu unterhalten. Vergeblich, erinnert sich Wehn: „Die waren unter aller Kanone. Da hab’ ich mir gesagt: Das kannst du besser.“

2003 trat der komische Deutsche erstmals selbst vors Publikum und feilte fortan an Sprache und Programm, um 2005 den Schritt ins Profilager zu wagen. Denn die Voraussetzungen seien blendend gewesen, erzählt Wehn, während er den Rest Eis aus dem Schälchen kratzt: „Ich hatte einen wichtigen Nachwuchspreis gewonnen. Zudem fand ein Jahr später die WM in Deutschland statt, für die ich als Kolumnist beim Independant anheuerte. Es passte einfach alles.“

Wehn wagte den Sprung ins kalte Wasser – und landete weich. Sein Kneipen-Englisch, sein schräges Outfit, vor allem aber seine Mischung aus politischem Kabarett und Comedy kamen an. Einen Deutschen, der die Vorurteile seines Vaterlands preist („außer Ostdeutschland“), selbst soziale Probleme in England sowie den Zweiten Weltkrieg humoristisch beleuchtet und sogar witzig ist – das hatte es bis dato auf der Insel nicht gegeben.

Inzwischen tritt der Emster meist an sechs Tagen die Woche auf. Mal nur 20 Minuten in der Kneipe nebenan, mal mit einem 90-minütigen Programm an drei Abenden hintereinander im Londoner Leicester Theatre. Häufig war er in Fernseh-Talkshows zu Gast, auf BBC erklärte er den Briten die deutsche Sprache, demnächst bekommt er seine eigene Radiosendung. Und wer es im Comedy Circuit gepackt hat, der wird auch ins Ausland eingeladen. Zuletzt trat der 37-Jährige in Dänemark, Australien und Singapur auf. Ein Deutscher, der Asiaten Witze in englischer Sprache erzählt – das ist schon komisch.

Doch die Hetze von Termin zu Termin und die ständige Suche nach neuen Gags fordern auch ihren Tribut. „Das nächste Mal wirklich frei habe ich im September 2012“, sagt Wehn und bestellt sich einen Latte Macchiato. Den bringt ihm die Bedienung wie jedem anderen Gast auch. Der Prophet gilt nichts im eigenen Land.