Hagen.
Der Anteil der deutschstämmigen Bevölkerung in Hagen wird immer geringer. Im Jahre 2010 hatten 55,7 Prozent aller Babys einen Migrationshintergrund. Der Alltag in der Stadt wird zunehmend von dieser Entwicklung geprägt.
Nach Angaben der Stadtverwaltung gab es im vergangenen Jahr in Hagen 1388 Kinder im Alter bis zu einem Jahr. Von ihnen hatten 773 einen Migrationshintergrund, also mindestens einen eingewanderten bzw. ausländischen Elternteil. 688 dieser Kinder besaßen jedoch die deutsche Nationalität, nur 85 wurden als Ausländer geboren. Insgesamt haben von den derzeit 188 000 Einwohnern Hagens 69 000 (36,3 Prozent) einen Migrationshintergrund, 25 500 sind Ausländer.
Die Zahlen verdeutlichen, welchen Stellenwert Integrationspolitik gewonnen hat. Vor allem im schulischen Bereich gibt es mannigfaltige Projekte, die darauf abzielen, Kinder mit Migrationshintergrund in das gesellschaftliche Leben einzubeziehen. Herausragend sind sicherlich die internationalen Förderklassen (iFö) an der Hauptschule Remberg, in denen jugendliche Einwanderer aufgenommen werden, die kein Deutsch sprechen, sich aber in ihren Herkunftsländern durch überdurchschnittliche Leistungen ausgezeichnet haben. Sie erhalten die Chance, in maximal zwei Jahren fundierte Deutschkenntnisse zu erlangen und zu einer weiterführenden Schule zu wechseln bzw. den Hauptschulabschluss 10B zu erlangen.
Perspektive für eingewanderte Schüler eröffnen
Auch die Förderung leistungsschwächerer Kinder mit Migrationshintergrund wird in zahlreichen Schulen durch Deutschkurse und weitere Angebote gewährleistet. Das ist bitter nötig, denn an vielen Lehranstalten dominiert ein buntes Völkergemisch. So haben an der Erwin-Hegemann-Grundschule in Altenhagen 80 Prozent der Kinder Migrationshintergrund. „Wir arbeiten in einem schwierigen Umfeld“, konstatiert Rektorin Maria Jüttemeier, die mit ihrem Kollegium ein ambitioniertes Förderprogramm entwickelt hat. Auch Oberbürgermeister Jörg Dehm betonte unlängst, wie wichtig es sei, eingewanderten Schülern eine Perspektive zu eröffnen: „Wenn wir es nicht schaffen, diese Kinder mitzunehmen, dann können wir den Laden bald schließen.“
In zahlreichen Hagener Kindergärten, darunter in den 26 städtischen Tagesstätten, wird zum Mittagessen kein Schweinefleisch mehr angeboten. Grund ist die steigende Zahl muslimischer Kinder, die aus religiösen Gründen kein Schweinefleisch essen dürfen. „Es wird grundsätzlich Rücksicht auf die Ernährungsgewohnheiten muslimischer Kinder genommen“, so Thomas Bleicher, Sprecher der Stadt. „Das ist mit den Essensanbietern, die die Kindergärten beliefern, abgestimmt.“
Informationsschriften der Stadt in mehreren Sprachen
Zahlreiche Broschüren und Informationsschriften gibt die Stadt in mehreren Sprachen heraus, zudem gibt es einen Integrationsrat, der die politischen Interessen der Migranten bündelt. Auch bei der Polizei arbeiten inzwischen mehrere Beamte, die türkisch, polnisch, russisch oder italienisch sprechen. „Wir suchen gezielt nach Bewerbern mit Fremdsprachenkenntnissen“, so Polizeisprecher Ulrich Hanki. Hauptkommissar Uwe Böhm ist sogar offizieller Kontaktbeamter für islamische Institutionen und somit Ansprechpartner für die Moscheegemeinden.
Von denen sind in der Vergangenheit immer mehr aus dem Boden gesprossen. Jüngst machte die Umwandlung des ehemaligen Bunkers an der Körnerstraße in ein islamisches Gotteshaus Schlagzeilen. Die kurdische Gemeinde will dort neben einer Moschee auch ein Café und weitere Gemeinschaftsräume einrichten. Die Ankündigung, auch zwei Minarette bauen zu wollen, rief jedoch Kritik hervor.
Berührungsängste mit Menschen fremder Herkunft gibt es aber kaum noch. In den Häusern der katholischen Krankenhaus GmbH (Josefs-, Johannes- und Marienklinik) haben zahlreiche Mitarbeiter bis hinauf zur Ebene der Oberärzte ein nichtchristliches Bekenntnis. Wer dort beschäftigt werden will, muss lediglich akzeptieren, dass die Krankenzimmer mit Kreuzen und Bibeln ausgestattet sind. Es herrsche Toleranz, so Verwaltungsleiter Norbert Schoop, muslimischen Angehörigen seien auch die rituellen Waschungen verstorbener Patienten gestattet: „Und im Übrigen ist Krankenfürsorge ja ein universeller Wert, der nicht nur von Christen praktiziert wird.“