Haspe.

Wer angesichts des sich abzeichnenden Endes für Haupt- und Realschulen kontroverse, emotional-hitzige Debatten über die Zukunft der Hagener Schullandschaft erwartet hatte, wurde überrascht: Gerade einmal 100 Interessierte fanden am Montagabend den Weg ins Pädagogische Zentrum der Gesamtschule Haspe, um mit Oberbürgermeister Jörg Dehm und dem von der Stadt beauftragten Gutachter Wolf Krämer-Mandeau (Biregio-Institut Bonn) dessen vorgelegte Vorschläge zu diskutieren. Darunter das Gros Pädagogen, einige Erziehungsgewerkschafter, wenige versprengte Eltern und gar keine Schüler. Eine Resonanz, die alles andere als große Brisanz dokumentierte.

„Wir können nicht zuschauen, wie eine Hauptschule nach der anderen schließt, sondern wir müssen jetzt reagieren, um zu strukturieren.“ Und: „Ohne Hauptschule kann es eine funktionierende Realschule nicht geben – der daraus folgende Gedanke ist die Sekundarschule.“ Thesen aus dem Mund von Krämer-Mandeau, die wie Hammerschläge die Bedenken der meisten Zweifler an dem neuen, für Hagen flächendeckend angedachten Schulsystem planierten.

Zu wenige Schüler

Zur Untermauerung lieferte der externe Experte zur Einleitung gleich die Prognosezahlen: Der demografische Abwärtstrend wird künftig für Hagen maximal noch 100 Mädchen und Jungen pro Jahrgang für zwei Hauptschulen hergeben – Kinder, die dann aus dem gesamten Stadtgebiet herbeikutschiert werden müssten. Um 360 weitere Kinder würden zudem die sechs Realschulen buhlen, so dass diese allesamt sich keine Hoffnung auf eine Dreizügigkeit und somit eine qualifizierte Differenzierung machen könnten. Lediglich die Gymnasien würden ihr Level halten können, so dass an diesem funktionierenden und akzeptierten System nicht gerüttelt, sondern vielmehr der erforderliche Platz geschaffen werden sollte, so der Gutachter.

Auf den Stadtbezirk Haspe heruntergebrochen bedeutete dies mit Blick auf die echten Geburtenzahlen: Von den 225 aktuell geboren Kindern würde in zehn Jahren die Gesamtschule Haspe gerne 150 Mädchen und Jungen aufnehmen, das Christian-Rohlfs-Gymnasium dreizügig ins fünfte Schuljahr starten und gleichzeitig noch die Realschule sowie die Ernst-Eversbusch-Hauptschule ihre Jahrgänge füllen wollen. Eine Luft-Rechnung, die zum Handeln zwingt.

Kaum Zeit zur Vorbereitung

Aber ist die Sekundarschule als Reaktion tatsächlich der Königsweg? Widerspruch regte sich vor allem aus den Reihen der Realschulen: „Wenn die Sekundarschule der kleine Bruder der Gesamtschulen ist, wo liegen denn dann noch die Unterschiede, wo bleibt Raum für das eigene Profil und pädagogische Konzepte?“ meldete Birgitt Foth, Leiterin der Realschule Haspe, stellvertretend für ihre Kollegen erhebliche Zweifel an, ob die neue von der Landesregierung propagierte Schulform schon die Realisierungsreife habe. „Die Landesregierung muss zumindest das Skelett liefern, das wir dann mit Muskeln und Fleisch füllen“, forderte sie mehr Zeit für eine adäquate Vorbereitung. Bis zum November, wenn die Anmeldungen für die weiterführenden Schulen anlaufen, sei dies nicht zu leisten, wenn bereits zum nächsten Schuljahr die ersten Eingangsklassen in den Verbundschulen an den Start gehen sollten. „Das muss mit Überlegung passieren“, forderte Birgitt Foth.

Oberbürgermeister Jörg Dehm machte deutlich, dass dieses zeitliche Ziel ambitioniert, aber kein Muss sei: „Es geht nicht darum, politische Ideale umzusetzen, sondern es sind breite Mehrheiten erwünscht“, plädierte er für eine so ausführliche Debatte wie notwendig. Dabei stehe das pädagogisch Sinnvolle im Vordergrund. Gutachter Krämer-Mandeau warnte zugleich davor, dass eine zu lange Debatte über die Zukunft von Haupt- und Realschulen „zersetzend und zerstörend“ wirke.

„Bislang sind vom Land noch keine Details zur Verbundschule bekannt und Hagen soll voll darauf setzen“, warnte Volker Freudenberg aus dem Lehrerrat der von Schließung bedrohten Realschule Emst, dass die Sekundarschule zur neuen „Restschule“ verkommen könne. Er empfahl, den tatsächlichen Willen der Eltern abzufragen: „Wir sind proppenvoll, das Anmeldeverhalten der Eltern ist eindeutig.“ Und sein Schulleiterkollege Dieter Prepens ergänzte, dass auch die Realschulen Rehling und Haspe seit Jahren zweizügig bestens funktionierten: „Es soll keiner behaupten, die könnten keine vernünftige Arbeit leisten.“

Kitas in Grundschulen integrieren

Kaum Bedenken wurden zur Schließung der Grundschule Kückelhausen bei der Hasper Bürgerdiskussion laut. „Ich werde der Schule mehr als eine Träne nachweinen“, formulierte Mutter Stefanie Sauer, „kann aber die Entscheidung verstehen“. „Wir sollten Kindheit vom ersten bis zum zehnten Lebensjahr unter einem Dach organisieren“, plädierte Gutachter Krämer-Mandeau ohnehin dafür, den demografischen Abschwung zu nutzen, um Kitas in den Grundschulen zu integrieren. Damit könnten gleichzeitig die weiterhin bestehenden Defizite in der U3-Betreuung aufgefangen werden.

Verwaltungschef Dehm machte abschließend keinen Hehl daraus, dass sich die Stadt von der Aufstellung eines Schulentwicklungsplanes auch Spareffekte für den Haushalt, erhoffe: „Den Haupt- und Realschulsektor von 13 auf 6 Sekundarschul-Systeme zusammenzuführen, hilft da schon.“ Daher sollte die neue Schulform nicht schon im Vorfeld stigmatisiert und als Restschule zerredet werden. „Der Druck ist hoch, jetzt konsequent zu handeln.“