Hagen.

Ein weiteres Kleinod auf dem Elbersgelände gab es am Samstag zu entdecken, um sich dort von der dritten Veranstaltung der Hagener „Tanzräume“ ver­zücken zu lassen. Vorbei an den Lokalen, wo viele Gäste die laue Sommernacht munter schwatzend bei Cocktail und Co. genießen, schlüpfen Kulturhungrige beinahe unentdeckt durch einen versteckten Eingang in die Halle 3 und wähnen sich in einer anderen Welt.

Blau illuminiert die alte Industriehalle, hohe ­Decken und frisch geweißelte Wände, noch leicht den Duft nach Farbe verströmend, empfangen den Besucher. Dezente Musik, wabernder Nebel und geschmackvolle Dekoration an den zahlreichen Stehtischen schaffen Atmosphäre und beweisen einmal mehr, das Hagen einige Schätze zu bieten hat.

Vor (trotz Seegeflüster) gut gefüllter Halle zeigt das Tanztheaterfestival Tanzräume zum ersten Mal in der elfjährigen Geschichte eine Eigenproduktion.

Tanz, Theater und Musik sind gleichberechtigte Bestandteile der Produktion von Ardian Cakay und Anja Harwardt, Leiter der Hagener Streetdancegruppe C-4 CREW, von Werner Hahn, dem Leiter des Kinder- und Jugendtheaters Lutz (Buch, Regie) sowie den beiden Musikern Dominik Hahn und Julian Walleck.

Furios beginnt die Story um sechs junge Tänzer und Tänzerinnen, (die sich in der Tanzschule ,First Floor’ kennengelernt haben und im „richtigen Leben“ Schüler sind oder bereits arbeiten), und um Hauptakteur Ardian Cakay. Er ist in seiner Rolle der Boss, das wird schnell klar. Die Mädels im bajuwarischen Dirndl mit Bierseideln tanzen ausgelassen zu deutscher Volksmusik. Er ist streng und grob zu ihnen - trotzdem feiern sie ihn als Held.

Schnelle Musik- und Tempiwechsel zeichnen das Stück aus. Eben noch ruhige, melancholische Liveklänge von Gitarre und Schlagzeug (Dominik Hahn, Julian Walleck) wechseln in Hip-Hop-Sequenzen, bei denen die Crew ihr Können zeigen kann. Besonders Cakays Solo-Breakdance-Einlagen bringen viel Applaus.

Doch es wird nicht nur getanzt, sondern auch eine Geschichte erzählt. Von der Beziehung von Rosmarie (Anja Harwardt) und Yetil (Serkan Cengiz), dem jungen Schneemenschen, der seine Heimat verlassen und in einem ihm fremden Land neu anfangen muss. Hat er erst noch seinen eigenen Stil in Kleidung, Sprache und Tanz, zwingt ihm Anführer Cakay bald seine Bräuche auf. Yetil passt sich an, verliert seine Identität und seinen Heimatbezug. Einsam und unglücklich bleibt er zurück, ein Lebkuchenherz mit der Aufschrift „not @home“ prangt an seinem Hals, die Rückkehr in sein altes Leben bleibt versperrt. Cakay wird wieder als Held gefeiert, und Yetil ist schnell vergessen.

Unter viel Beifall verlässt die C-4-CREW die Bühne, und mit Recht werden die jungen Nachwuchskünstler frenetisch gefeiert, lieferten sie doch enorme Arbeit ab.

Vielleicht hätte mancher Zuschauer sich aber auch mehr der spektakulären Tanzeinlagen und mehr laute Hip-Hop-Beats gewünscht und ein bisschen weniger Ernst und Sozialkritik, also jene Komponenten, ohne die gerade junge Hagener Kultur scheinbar nicht funktioniert.

So hätte man nicht dieses dumpfe Gefühl zurückbehalten, und die Party im Anschluss an das Stück nicht über mangelnde Integration sinnierend am Stehtisch, sondern tanzend und ganz im ­Sinne des Mottos „Tanzräume“ verbracht.