Hagen. .
Nein, von einer Sammlung im üblichen Sinne kann man bei Jens Bergmanns Schätzen nicht mehr sprechen. Was der Hagener in den vergangenen Jahrzehnten an Exponaten aus seiner Heimatstadt zusammentrug, würde jedem Museum zu Ehre gereichen.
Abertausende Sammlerstücke zeugen von der bewegten Vergangenheit der Volmestadt: Fein sortiert lagert der 63-Jährige auf drei Etagen ungezählte Postkarten, Notgeldscheine, Karnevalsorden, Firmenschriften, Poststempel, Bierflaschen, Vereinszeichen, Bücher, Streichholzschachteln und und und. . . „Das ist Stadtgeschichte in Reinkultur“, bringt es Bergmann auf den Punkt.
Ende der 60er-Jahre entschloss sich der Ur-Hagener, die Sachen aufzubewahren, die andere Menschen oft achtlos wegwerfen. Die Palette der Sammlerstücke war dabei von Beginn an bunt: „Wichtig ist, dass es aus Hagen stammt.“ Und viele der Exponate haben eine eigene Geschichte. So klapperte Bergmann, heute Vorstand des Heimatbundes, sämtliche Hagener Postämter ab, als einst die Postleitzahlen umgestellt wurden. Schließlich waren die Stempel kurze Zeit später bereits Geschichte.
Bei der Recherche treten immer wieder Fakten ans Tageslicht, die keinem bekannt sind
Überhaupt verlangt seine Leidenschaft eine gehörige Portion Kenntnis für historische Zusammenhänge, wobei dem Pensionär sicherlich sein früherer Beruf als Geschichtslehrer entgegenkommt. Bei den Vereinsnadeln muss beispielsweise herausgefunden werden, wann bestimmte Klubs gegründet wurden oder zu welchem Zeitpunkt sie mit anderen Vereinen fusionierten. „Da muss man wirklich Forschungsarbeit betreiben“, weiß Bergmann.
Und bei dieser Recherche treten immer wieder Fakten ans Tageslicht, die kaum jemandem bekannt sein dürften. Wer weiß schließlich noch, dass es früher in Hagen rund 20 Brauereien gab oder dass sich in Haspe eine private Chemieschule befand? Über Letztgenannte informiert ein uraltes Zeugnis. Denn schulische Zertifikate sammelt der 63-Jährige natürlich ebenfalls: „Anfangs waren es zwei oder drei – jetzt füllen sie einen ganzen Ordner.“ Nun ja, angesichts der 40 Sammelmappen voller Briefköpfe von Hagener Firmen nimmt sich dieser eine Ordner sogar bescheiden aus.
Das Lieblingsstück ist eine Bierflasche, die mit einem Korken verschlossen wurde
Trotz der Unmengen an Hagen-Utensilien habe er Lieblingsstücke, sagt Jens Bergmann. Dazu zählt eine Bierflasche der Brauerei Bettermann, die aus einer Epoche stammt, als solche Flaschen noch mit einem Korken verschlossen wurden. Das seltene Gefäß fand ein Dachdecker an seinem Arbeitsplatz, wo es ein Kollege von ihm vermutlich vor langer, langer Zeit versteckte. Eine riesige Überraschung erlebte Bergmann, als er in einem Bielefelder Auktionskatalog einen Eilper Ladezettel über eine Karre Kalk aus dem 18. Jahrhundert entdeckte. Der Hagener erwarb das Papier und staunte nicht schlecht, als er es erstmals in Händen hielt: Unterschrieben hatte sein Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater. Denn was ein Historiker wie Bergmann ist, der kann seinen Stammbaum bis zum Dreißigjährigen Krieg zurückverfolgen.
Aber ein derart intensives Hobby kostet auch entsprechend viel Zeit. Mittlerweile kauft der Hagener fast täglich etwas übers Internet und auf Trödelmärkten oder erhält Neuzugänge von Bekannten, die sein Steckenpferd kennen. „Zwei bis drei Stunden nimmt die Sammlung täglich in Anspruch, manchmal auch mehr“, sagt Bergmann. Und wenn einmal im Monat eine bestimmte Sparte komplett neu sortiert wird, kommen noch ein paar Zusatzstunden hinzu. Die Frage, ob sie denn auch etwas sammle, beantwortet Jens Bergmanns Ehefrau deshalb auch mit einem süffisanten Lächeln: „Höchstens Erfahrungen.“