Hagen.

Mit dem Roman „Plan D“ ist dem Hagener Schriftsteller Simon Urban (35) ein außergewöhnlich fesselnder Debüt-Roman gelungen. Ein Blick zurück nach vorn.

Die Mauer? Sie steht! Das Politbüro? Es regiert! Die Stasi? Sie schnüffelt! Das Volk? Hat Angst!

Ostberlin im Jahr 2011: Die Wende hat es nie gegeben. Seit 22 Jahren klammert sich der Staatsratsvorsitzende Egon Krenz an die Macht. Die Deutsche Demokratische Republik - sie lebt. Noch. Wirtschaftlich steht das Land am Abgrund, hängt am Tropf der BRD, muss gute Nachbarschaft heucheln, politische Veränderungen vorgaukeln, um die Staatsknete aus dem Westen nicht zu verlieren. Dann stirbt ein ehemaliger Berater von Krenz. Ermordet. Aufgehängt an einer Pipeline: Stasi-Methode. Der Spiegel berichtet, die DDR wankt. Wird die Unschuld des Geheimdienstes nicht bewiesen, dreht der Westen den Geldhahn zu. Und das Regime wäre am Ende. Der desillusionierte Volkspolizist Wegener und sein westdeutscher Kollege Brendel machen sich gemeinsam auf die Suche nach den Mördern.

50 Jahre nach dem Bau der Mauer schreibt Simon Urban deutsch-deutsche Geschichte fort

Das ist die Ausgangssituation des erstaunlichen Debüts von Simon Urban. 50 Jahre nach dem Bau der Mauer schreibt der Hagener Schriftsteller deutsch-deutsche Geschichte fort. Ein Krimi, eine Satire, ein Thriller - sein Buch „Plan D“ ist eine Mischung aus allem. Irreal, aber doch nicht unmöglich. Unglaublich, aber doch nachvollziehbar. Witzig, aber im Kern todernst.

Den real existierenden Sozialismus östlich der Mauer hat Urban, Jahrgang 1975, selbst nie erlebt, er kennt ihn nur aus zweiter Hand. Und trotzdem machte der ehemalige freie Mitarbeiter dieser Zeitung den Untergang der DDR zum Thema, recherchierte und schrieb insgesamt drei Jahre lang an „Plan D“. „Die Wiedervereinigung war das wichtigste politische Ereignis für Deutschland in den vergangenen 20 Jahren. Vergleichbares wird so schnell nicht wieder passieren“, sagt Urban, der mit seinem Buch auch eine politische Botschaft verbindet. „Wer die Vergangenheit nicht kennt, ist dazu verurteilt, sie zu wiederholen“, zitiert der 35-Jährige den amerikanischen Philosophen George Santayana (1863 bis 1952). Will sagen: In „Plan D“ steckt auch eine Warnung an all jene, die heute noch immer unreflektiert dem Sozialismus hinterherlaufen. Seine DDR stehe als Modell für Diktatur und Unterdrückung. Die Stimmung des Misstrauens und der Angst habe Simon Urban jedenfalls gut getroffen, erzählen ehemalige Bürger der DDR, die das Buch schon gelesen habe.

Verlag hat Buch zum Spitzentitel des Sommers gekürt

Der Roman ist tiefgründig, sprachlich opulent, lustig, ironisch, spannend und politisch. Urban hat seinen eigenen Stil gefunden, kopiert nichts, sondern schafft Neues, verblüfft durch Sprachwitz und überraschende inhaltliche Wendungen.

Der Schöffling-Verlag hält „Plan D“ deshalb auch für so vielversprechend, dass er das Buch zu seinem Spitzentitel des Sommers gekürt hat. „Der Junge hat Kraft“, sagt Verleger Klaus Schöffling über Simon Urban. „Das war das erste Mal, dass ich ein komplettes Manuskript im Urlaub am Laptop gelesen habe. Es hat mich drei Tage lang gefesselt.“

Das Risiko, mit „Plan D“ einen Misserfolg zu landen, sieht Klaus Schöffling nicht. Seit gestern ist das Buch im Handel, die Hör- und Taschenbuchrechte sind bereits verkauft. Auch im Ausland stößt der Roman auf Interesse. Sogar ein tschechischer Verlag wird ihn übersetzen.

Simon Urban ist nun erst einmal gespannt darauf, wie sein Buch wahrgenommen wird und wie die Leser auf seinen alternativen Geschichtsentwurf reagieren, den er in der Tradition von Robert Harris’ Bestseller „Vaterland“ (1992) verortet. Der Brite ließ damals die Nazis den zweiten Weltkrieg gewinnen.

Egon Krenz und Oscar Lafontaine haben beide jedenfalls ein Exemplar bekommen, sich aber noch nicht geäußert. Der Saarländer ist in „Plan D“ Bundeskanzler. Eigentlich Grund genug, um das Buch mal aufzuschlagen.


Simon Urban, Plan D, Schöffling & Co. 553 Seiten, 24,95 Euro