Hagen.

Das muss man schon wollen: Die Wege sind nichts als Matsch und Lehm. Sie führen zu einem Ort, der nicht unbedingt zum Wohlfühlen geeignet ist.

Abgelegen von der Zivilisation, direkt am Sperrzaun einer radioaktiv versuchten Zone in Weißrussland. Dort, rund 30 Kilometer von dem Ort Klimowitschi entfernt, befindet sich ein Altenheim. Untergebracht in einer alten Schule. Die stand leer, weil die Familien weggezogen sind. Die Radioaktivität war hoch nach dem Gau in Tschernobyl, die Krebsrate stieg. Jetzt leben in dem Haus rund 40 Menschen, alte und kranke. Immerhin ist es aus Stein gebaut. Das frühere Altenheim – eines für rund 30 000 Menschen des Landkreises – war eine Holzhütte mit Wellblechdach.

„Es war unglaublich“, erinnert sich Thomas Große aus Hagen an seinen ersten Besuch dort. Es ist immer noch unglaublich – gemessen an westeuropäischen Verhältnissen – ,aber Mitglieder der Elisabeth- und Matthäusgemeinde sorgen dafür, dass es stetig ein Stückchen weniger unglaublich wird. Sie stecken Kraft, Zeit und Geld in ein ökumenisches Projekt, das Klimowitschi-Projekt.

Über Kontakte nach Weißrussland stieß eine Gruppe Hagener 2005 auf das Altenheim. Schnell war klar: „Wir wollen helfen“, erzählt Martin Bradenbrink, der schon als Junge in der Elisabethgemeinde aktiv war. Helfen – das bedeutet in Hagen Spendengelder zu sammeln und vor Ort für notwendige Sachen auszugeben: Windeln, Pantoffeln, Seife, Decken, eine Waschmaschine. . . „Wir fahren jedes Jahr hin und gucken, was benötigt wird“, ergänzt Große.

Nebenbei unterstützen sie damit die Läden vor Ort. „Allerdings gibt es vieles gar nicht“, so Große. Für Windeln mussten sie sechs Stunden Auto fahren, Inkontinenzbezüge für die alten, rostenden Metallbetten haben sie aus Deutschland mitgenommen. Es gibt kein Toilettenpapier, 40 Senioren teilen sich eine Dusche.

„Das ist ein zentralistisch gelenktes Land, da fließen alle Gelder in die Hauptstadt Minsk“, weiß Bradenbrink. Die Alten rangieren ganz unten, Hilfe vom Ausland nimmt man dennoch nicht gern an. „Uns sind von den Behörden oft Steine in den Weg gelegt werden“, reißt Große an. Für die Gruppe aus Hagen stehen die Signale seitdem auf „Jetzt erst recht“. Deshalb fahren sie weiterhin jedes Jahr im März mit dem Zug, dem Geld und etlichen Koffern voller Sachspenden an der Hand nach Weißrussland. Sie opfern dafür ihren Urlaub. Selbstverständlich.

„Ich kann nicht mehr anders“, zuckt Große gänzlich unpathetisch mit den Schultern. „Ich muss dahin.“ Der Vorteil des persönlichen Einsatzes ist: Das Geld kommt unmittelbar bei den Bedürftigen an, versickert nicht in bürokratischen Strukturen. Über Spenden, Vorträge und das Café Kontakt – immer montags von 15 bis 17 Uhr in der Matthäusgemeinde – finanziert sich das Projekt.

Noch Zukunftsmusik, aber der feste Wille der Hagener ist es, eine Art Pflegedienst zu installieren. Denn: „In dem Altenheim liegen nur die schlimmsten Pflegefälle. Viele werden in den Familien versorgt. Da muss man auch helfen.“