Wehringhausen.

Er war zwar das höchste Bauwerk der Stadt, aber kein Wahrzeichen. Im Bewusstsein der Hagener spielte der Varta-Schornstein keine Rolle. Und das wird er zukünftig erst recht nicht mehr tun. Denn gestern wurde der 93 Meter hohe Turm gesprengt.


Eine Detonation von 15 Kilogramm Sprengstoff brachte den Riesen zu Fall. Nach dem lauten Knall stürzte der Schornstein nahezu lautlos auf das Gelände der ehemaligen Batteriefabrik und hinterließ Trümmer von Mauerwerk sowie eine wabernde Staubwolke, die sich allerdings, weil die Feuerwehr aus Hochdruckleitungen einen Wasserschild aufgebaut hatte, nur geschwächt entwickeln konnte. „Wir haben den Sprengstoff auf 60 Bohrungen verteilt und die Fallrichtung genau berechnet“, sagte Michael Schneider (50), einer der verantwortlichen Sprengmeister der Thüringer Sprenggesellschaft, die vor sieben Jahren bereits für den spektakulären Zusammenbruch des Sparkassenhochhauses verantwortlich zeichnete.

Anders als im März 2004 ging die Sprengung des Varta-Schornsteines nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor sich. Aus Sicherheitsgründen hatten die Ordnungsbehörden die Zerstörung des Turmes im Vorfeld nicht propagiert und das Fabrikgelände weiträumig abgesperrt. Was sich für das menschliche Ohr wie eine einzige Explosion anhörte, waren in Wirklichkeit 60 im Abstand von Millisekunden aufeinander abfolgende Detonationen. „Jede Sprengladung hatte ihren eigenen Zünder“, so Schneider, nachdem er sein Zerstörungswerk per Knopfdruck in Gang gesetzt hatte.

Die Experten aus Thüringen hatten die Sprengung akribisch vorbereitet und den Sprengstoff, eine rötliche Knetmasse mit dem industriellen Namen Eurodyn 2000, etwa zehn Meter oberhalb des Bodens im Mauerwerk platziert. Der Turm neigte sich wie geplant zur Seite, durch das gewaltige Eigengewicht kam es gleichzeitig zu einem Kollaps im Bereich jenes Ringes, den die Sprengladungen bildeten. So benötigte der geknickte Schornstein lediglich 30 Meter Fallbett, während durch den Druck von oben auch der Fuß nahezu vollständig zerstört wurde. Lediglich ein etwa drei Meter hoher Wall blieb - wie der Stumpf eines gefällten Baumes - stehen und soll in den nächsten Tagen abgetragen werden.

Zwar verlief die Zertrümmerung des Bauwerks wie gewünscht, dennoch sei eine solche Sprengung keineswegs Routine, betonte Schneider: „Wir sind hier schließlich mitten in einer Großstadt. da gilt es genau aufzupassen, dass weder Menschen noch Gebäude beschädigt werden.“

Der Schornstein war Teil eines Kraftwerks, das mit Kohle und später mit Heizöl befeuert wurde und Dampf zur Herstellung von Batterien lieferte. Denn immerhin hatte die Geschichte der Varta AG, eines der bekanntesten Industrieunternehmen Deutschlands, 1887 mit der Gründung der Accumulatoren-Fabrik Tudorschen Systems Büsche & Müller oHG in Hagen ihren Anfang genommen. Das Firmengelände teilen sich inzwischen die Stadt Hagen sowie die Firmen Invensys und Hawker. Letztere setzt die Tradition der Batterieherstellung in Wehringhausen bis heute fort.

Die Sprengung des Turmes gehört zum Abriss zahlreicher ehemaliger Firmenimmobilien, in denen die Produktion längst ruht. „Die weiteren Abrissarbeiten werden noch drei Monate in Anspruch nehmen“, sagte Klemens Müller von der Firma ERM aus Neu-Isenburg, die mit der Demontage der Immobilien beauftragt wurde. Die Stadt Hagen hofft auf die Ansiedlung weiterer attraktiver Gewerbebetriebe in diesem Bereich. Zudem soll hier einmal die Bahnhofshinterfahrung verlaufen.

Nunmehr ist der 86 Meter hohe Schornstein der Müllverbrennungsanlage in Boelerheide das höchste Hagener Bauwerk.