Die Gewaltserie an deutschen Bahnhöfen hat die Deutschen Bahn alarmiert. Das Unternehmen sieht in Nordrhein-Westfalen unter anderem Handlungsbedarf am Hagener Bahnhof.

In einem Interview mit der Rheinischen Post kündigte der Sicherheitschef des Unternehmens, Gerd Neubeck, jetzt an, die Zahl der Sicherheitskräfte um 25 Prozent zu erhöhen und weitere Bahnhöfe mit Videokameras überwachen zu lassen. Den Hagener Bahnhof nannte Neubeck als Beispiel für einen Bahnhof, an dem Handlungsbedarf bestehe. Die Bundespolizei widerspricht. Der Hagener Bahnhof zähle zu den vergleichsweise sicheren Stationen.

Es sind die Fälle, bei denen wohl jedem Bürger die Nackenhaare vor Schreck und Abscheu zu Berge stehen: Ein 33-jähriger Mann wird auf dem Hagener Bahnsteig von einer Horde Jugendlicher nachts krankenhausreif geprügelt. Die vier 16 Jahre alten Täter brechen ihm die Nase und fügen ihm Prellungen an Kopf und Oberkörper zu. Das Opfer hatte die Gruppe warnen wollen, weil die Jugendlichen am Bahnsteig in der Nähe der Gleise herumgetobt hatten. Oder: Ein 39-jährige Mann aus Hagen erleidet am ganzen Körper zahlreiche Prellungen, Schürf- und Platzwunden. Der 17-Jährige Schläger hatte mit ihm Streit in einer S-Bahn angefangen. Die Tat ereignete sich am helllichten Tag.

Sicherheitskräfte werden aufgestockt

Es seien häufig nicht die Bahnhöfe in den ganz großen Städten, an denen eine überbordende Gewalt grassiere, sagte Neubeck der Rheinischen Post. Die Stationen Bielefeld, Dinslaken, Aachen, Wanne-Eickel – und Hagen nannte der Sicherheitschef der Bahn als Beispiele für Bahnhöfe, an denen die Deutsche Bahn Bedarf sehe, das Sicherheitspotenzial zu stärken. NRW-weit plane das Unternehmen die Zahl der Sicherheitskräfte um 150 auf 820 aufzustocken.

Wie viele davon in Hagen stationiert werden, konnte Bahnsprecher Udo Kampschulte gestern auf Nachfrage nicht sagen. Zusätzliche Kameras werden in Hagen aber nicht installiert. „Es gibt dort bereits eine umfassende Videoüberwachung.“ Kameras befinden sich demnach an den Stationen, den Unterführungen und am Bahnhofsvorplatz. „Eine intensivere Überwachung ist nicht möglich.“

Der Hagener Bahnhof sei insbesondere an Wochenenden ein Brennpunkt. „Das liegt wohl an der benachbarten Großdiskothek“, vermutet Kampschulte. Eine absolute Sicherheit könne es zwar nicht geben. Die zunehmende Gewaltbereitschaft sei aber ein gesellschaftliches Problem, dem sich die Bahn stelle.

Zahl der Gewaltdelikte nicht gestiegen

Die Bundespolizei widersprach dieser Darstellung. „Die Bundespolizei kann diese Aussagen in Bezug auf den Hagener Bahnhof nicht nachvollziehen“, erklärte Bundespolizeisprecher Andreas Grewe. Zwar gebe es auch in Hagen immer wieder körperliche Übergriffe. Vieles spiele sich aber im Milieu „der dort ansässigen Nicht-Sesshaftenszene“ ab. An der Größe des Bahnhofs gemessen, sei die Anzahl der registrierten Gewaltdelikte im Hagener Bahnhofsumfeld „äußert gering.“ In der Vergangenheit sei seitens der Bundespolizei auch nicht festgesellt worden, dass die Zahl der Delikte gestiegen sei. Im vergangenen Jahr wurden demnach insgesamt 41 Körperverletzungen zu Protokoll gegeben. „Wenn man bedenkt, dass Hagen ein Bahnhof ist, der gerade an Wochenenden von durchreisenden Fußballfans bevölkert wird, ist das ein sehr geringer Wert.“ Im laufenden Jahr sei das Gewaltpotenzial nicht angestiegen, sagte Grewe.