Altenhagen.

Die anhaltenden innerparteilichen Querelen in der Hagener SPD erreichen jetzt auch den NRW-Landesvorstand der Partei. In einem sechsseitigen Schreiben, das in weiten Zügen den Charakter eines Hilferufes hat, wendet sich jetzt der SPD-Ortsverein Altenhagen an die Landesschiedskommission.

Der Ortsverein Altenhagen will mit dem Schreiben an die Landes-SPD die in seinen Augen willkürliche Unterwanderung des Ortsvereins durch externe Mitglieder stoppen und die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen vollzogene Wahl des Genossen Giutzle Ali Oglu zum stellvertretenden Ortsvereinsvorsitzenden für nichtig erklären.

„Bei der Vielzahl von Ausnahmegenehmigungen im SPD-Ortsverein Altenhagen kann es nur darum gehen, Mehrheitsverhältnisse mit Statuten-Tricksereien zu verändern und die Leute aus Hinterzimmerzirkeln in Mandate und Funktionen zu bringen“, heißt es mit Blick auf die Hagener SPD-Gruppierung der „Würzburger“ in dem vom Altenhagener Ortsvereinsvorsitzenden Waldemar Stange unterzeichneten Papier. Dabei agiert der 46-Jährige keineswegs im Alleingang, sondern benennt ausdrücklich die heimischen Partei-Schwergewichte Birgit Buchholz (stellv. SPD-Unterbezirksvorsitzende), Petra Gutowski, Erik Schulz und Claus Homm (alle Beisitzer im SPD-Unterbezirksvorstand) sowie Ex-MdL Wilfried Kramps und Friedhelm Tenne als Zeugen für die beschriebenen Verwerfungen und tiefen Gräben innerhalb der Hagener Partei.

Mitgliederzuwachs per Ausnahmegenehmigung

Vor allem die anhaltende, inflationäre Aufnahme von externen Mitgliedern per Ausnahmegenehmigung – meist ohne Nennung von nachvollziehbaren Gründen – stößt den Altenhagenern übel auf. Während andere Ortsvereine kontinuierlich schrumpfen, sickerten in Altenhagen zuletzt fast ein Drittel der inzwischen 96 Mitglieder durch Ausnahmegenehmigungen hinzu. Damit sei das Organisationsinteresse der örtlichen Sozialdemokraten, nämlich konstruktive Stadtteilarbeit im Sinne dort lebenden Bürger umzusetzen, massiv gefährdet: „Es etabliert sich ein System, bei dem (Neu-)Mitglieder und Leute, die bei anderen Parteiversammlungen noch nie gesehen wurden, Ortsvereinssitzungen überrennen und bei den Abstimmungen für Wahlkreiskonferenzen und Parteitage ihre Delegierten durchsetzen wollen. Dabei treten die Inhalte hinter die Frage der Erzielung gewünschter Mehrheiten zurück“, formuliert Stange an den SPD-Landesverband und warnt davor, dass viele alteingesessene Genossen angesichts dieser Vorgänge und des anhaltenden Unfriedens sich verdrängt fühlten.

Gleichzeitig erinnert er an die Vorgänge innerhalb der Münchener CSU , als dort die Junge Union in Zusammenarbeit mit der Strauß-Tochter und damaligen Kulturministerin Monika Hohlmaier Mehrheiten in den Wahlkreisen zur Aufstellung von Landtagskandidaten durch beliebiges, statutenwidriges Verschieben von Mitgliedern und auch Nichtmitgliedern errungen hatte. Hohlmaier musste daraufhin ihr Ministeramt aufgeben. Ähnliche Mechanismen lassen sich für die Altenhagener auch in ihrem Ortsverein ablesen, der immerhin sechs Delegierte zu Parteitagen und Wahlkreiskonferenzen entsendet.

Als Triebfeder dieser Unterwanderungsmechanismen machen die Altenhagener Genossen die SPD-Unterorganisation „Die Würzburger“ aus, die mit eigener Pressearbeit, eigenen Veranstaltungen, aber intransparenter Finanzierung eine Parallelstruktur innerhalb der Hagener SPD aufbaue. Sie entziehe sich den Kontroll- und Steuerungsrechten der Partei, versuche, die Mehrheitsverhältnisse zu eigenen Gunsten zu kippen. „Unsere Mitglieder befürchten“, so Stange, „dass der Ortsverein über den aus unserer Sicht illegitimen Weg der Erteilung massenhafter Ausnahmegenehmigungen gekippt werden soll.“

Im Namen der „Würzburger“

Dabei vermissen die Altenhagener auch auf Unterbezirksebene die erforderliche Unterstützung: „Die Mehrheitsverhältnisse im Unterbezirksvorstand sind leider eindeutig. Nicht mehr sachliche und inhaltliche Kriterien entscheiden über Anträge, sondern lediglich der Wille eines Hinterzimmerzirkels, der sich ,Die Würzburger’ nennt.“ Dabei wird in dem Schreiben an die NRW-SPD der Unterbezirksvorsitzende Jürgen Brand als Teil des Systems skizziert. Vor allem der lässige Umggang – abseits aller Parteistatuten – mit den so genannten Ausnahmegenehmigungen werde vom Hagener SPD-Chef aktiv unterstützt.

Paradebeispiel ist für Altenhagener dabei der stellvertretende Ortsvereinsvorsitzende Ali Oglu, der 2010 sein Parteiamt mit falschen Angaben zu seinem Wohnort errang. Nachdem Brand dem Ertappten zunächst nahelegte zurückzutreten, da seine Wahl von keiner Schiedskommission akzeptiert werde, wurde dieser Schwindel in der Zwischenzeit versucht, durch eine nachträgliche Ausnahmegenehmigung zu korrigieren. „Im Kern wird so eine durch unwahre Angaben erfolgte Wahl mit dem Innehaben des dabei errungenen Amtes legitimiert“, grollen die Altenhagener in Richtung Landes-SPD.

Wann die Landesschiedskommission über die innerparteilichen Befindlichkeiten der Hagener SPD befindet, erscheint derweil noch offen. Der Altenhagener Ortsverein hofft, dass zumindest bis zum SPD-Unterbezirksparteitag am Samstag, 21. Mai, eine Entscheidung der Landespartei vorliegt. Denn die anhaltenden Scharmützel der sich reibenden Parteilager dürften die Debatten an diesem Tag beherrschen und sich auch im Wahlergebnis für den Unterbezirksvorsitzenden Jürgen Brand widerspiegeln.