Hagen. .
Ein Blick auf den kleinen Tisch in der Ecke lässt Männer strahlen. Statt adelslastiger Regenbogenpresse liegt dort eine geballte Ladung Information und Unterhaltung: Spiegel, Focus, Tageszeitung, Playboy. „Mann soll sich hier ja wohl fühlen“, erläutert Klaus Iber schmunzelnd das Leseverhalten der Kundschaft: „Wenn jemand seine Frau dabei hat, liest er den Spiegel. Kommt er allein, ist’s der Playboy.“ Meist wird zum Männermagazin gegriffen, denn Iber betreibt an der Hochstraße einen der letzten Herrensalons in Hagen.
„Junge, lern ein
Handwerk“
Nein, ein Coiffeur ist Klaus Iber nicht. Und schon gar kein Hair-Stylist oder solch neumodischer Kram. Er ist Friseur, einer der alten Schule. „Und zwar mit Leib und Seele – seit 50 Jahren.“ Der Hagener, der heute seinen 64. Geburtstag feiert, war noch nicht einmal 14 Jahre alt, als er 1961 die Volksschule beendete. „Mein Vater war Kriegsrentner und wir hatten nicht viel Geld“, erzählt er. „Also wurde gesagt: ’Junge, lern ein Handwerk!’“ Gesagt, getan: Der 13-Jährige ging beim Boelerheider Friseur David in die Lehre und erlebte in Sachen Männerkopf eine Zeit des Umbruchs. Anfang der Sechziger brachte das Elvis-Fieber zunächst die Tolle nach Deutschland, mit den Beatles kam wenig später auch beim starken Geschlecht die Langhaar-Frisur in Mode.
Iber selbst gehörte ebenfalls zu jenen, deren Ohren vom Haupthaar bedeckt waren. Was bei den konservativen Vertretern der Zunft auf wenig Gegenliebe stieß: „Die Prüfer guckten mich scharf an, mussten mir am Ende aber trotzdem eine Eins geben.“
Zu Zeiten der Blumenkinder trug Iber das Haar sogar schulterlang, was für seinen Berufsstand ungewöhnlich war, jedoch junge Kundschaft anlockte: „Die Langhaarigen hatten Vertrauen zu mir. Noch heute zählt ein übrig gebliebener Alt-Hippie mit Pferdeschwanz zu meinen Kunden.“
Mitte der Sechziger wechselte Iber zum Salon Figaro an der Elberfelder Straße, ehe er vor genau 20 Jahren an der Hochstraße den Schritt in die Selbstständigkeit wagte. Neben besagtem Pferdeschwanz-Träger folgten auch viele andere Stammkunden ihrem Friseur – einigen von ihnen schneidet er seit einem halben Jahrhundert die Haare.
Friseur und Beichtvater
in Personalunion
Und nicht wenige seiner Kunden sind in Hagen bekannte Größen: Oberbürgermeister Jörg Dehm zählt ebenso dazu wie der ehemalige Sparkassen-Vorstand Klaus Hacker oder Dr. Tayfun Belgin, Leiter des Osthaus-Museums. Natürlich wird somit auch mal über Lokalpolitik oder andere heikle Themen gesprochen; doch worum es dabei genau geht, sagt Klaus Iber nicht: „Als Friseur ist man so etwas wie ein Beichtvater. Es gibt viele Leute, die wollen sich die Seele vom Leib reden. Da muss man einfach zuhören und auch mal Trost spenden.“ Unter keinen Umständen verrät er beispielsweise den Namen des Kunden, der einst immer mit einer Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen erschien, um darin den saloneigenen Playboy zu verstecken und so ungestört zu lesen. „Das bleibt ein Geheimnis.“
Doch nicht nur in Sachen Literatur kommt Klaus Iber seinen Kunden entgegen. Auch der gemeine Raucher ist hier ein gern gesehener Gast. Wer nicht auf den Glimmstängel verzichten möchte, während der Meister zur Schere greift, darf sich ruhig ein Zigarettchen ins Gesicht stecken. Aschenbecher sind genügend vorhanden.
Ein echter Herrensalon eben – möchte man meinen. Denn dann und wann, gibt Klaus Iber zu, zähle doch schon mal eine Frau zur Kundschaft. „Aber das sind nur Kurzhaarschnitte“, erklärt er fast ein bisschen entschuldigend. Nehmen wir es als seinen Beitrag zur Emanzipation.