Hagen.
Es war ein echtes Familienfest zum 1. Mai. Denn es ging familiär zu - man war unter sich: Gewerkschafter aller Arten, im Geiste verbündete Verbände, befreundete Kulturvereine. Eben die, die die Maikundgebung verlässlich nett umrahmen. Rund 1000 waren gekommen, schätzten die Ordnungshüter der Polizei. Zu hüten gab es allerdings nicht viel, die Veranstaltung hatte Volksfestcharakter - und ein ernstes Anliegen.
Mairednerin Antonia Kühn vom Landesverband des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) mahnte neben besserer Bildung für alle auch mehr Verteilungsgerechtigkeit an: „Wenn Manager das Dreihundertfache eines Durchschnittsgehaltes verdienen, dann ist das nicht mehr vertretbar!“ Der gesetzliche Mindestlohn müsse her. Eine Forderung, die wohl mehr unterschreiben würden als die überschaubare Menge vom Sonntag.
„Es müssen wieder mehr Menschen in die Gewerkschaft“, meint Joachim Kemper auszumachen, warum den Maikundgebungen der vergangenen Jahre die Masse fehlt. Kemper – seit 60 Jahren in der Gewerkschaft – war von 1961 bis 1974 selbst Gewerkschaftssekretär in Hagen, zu Hochzeiten des Arbeiterkampfes. „Da gab es einen großen Nachholbedarf, nach gerechteren Löhnen und geregelter Arbeitszeit“, führt er an, warum es selbstverständlicher war, organisiert auf die Straße zu gehen. Für ihn ist es daher heute noch eine Selbstverständlichkeit, am 1. Mai dabei zu sein. „Ich glaube, die Gewerkschaften haben oftmals keine Bezug zu den Betrieben.“ Andererseits fragt er sich, wann die Menschen endliche wach würden – angesichts der Zunahme bedenklicher Arbeitsverhältnisse. Prekär will Kemper nicht sagen. Er wirbt für eine klarere Sprache. Das schaffe auch Klarheit.
Immerhin hat der DGB erkannt, dass sich Arbeitgeber nur von Mitgliederstärke beeindrucken ließen. „Nur wenn wir viele sind, haben wir eine Chance gehört zu werden“, beendete Antonia Kühn ihre Mairede. Worte, die Bärbel Schwarzelmüller, gern unterstreicht. Sie kritisierte die zahlreichen Alternativveranstaltungen von arbeitnehmernahen Vereinen und Organisationen: „Wenn sich die Bewegung aufsplittet, dann sind wir zwar bald überall, aber nicht mehr zusammen. . .“
Der 1. Mai war nicht nur der Tag der Arbeit, es war auch der Tag gegen Atomkraft. In Hagen war sie am Sonntag simpel auszuschalten: durch Verspeisen. Das Anti-AKW-Bündnis verteilte Atomkraftwerke aus Schokokuss (Meiler) und Löffelbiskuit (Kühlturm). Zum Anbeißen.