Hagen. .

Das Abitur, so stellen wir seit Jahren fest, ist mehr als die Befähigung eine Hochschule besuchen zu dürfen. Es handelt sich vielmehr um eine Art zeitgeistliches Phänomen. Ausdrücken tut es sich exzessiv, auf zwei koexistenten Ebenen. Man nenne es den Dualismus der Abiturienten.

Warum Dualismus: Die Lehrer trimmen die Schüler zum Lernen, damit sie mit guten bis sehr guten Papieren ihren Laden verlassen. Es heißt: „Wenn Sie nicht spätestens Weihnachten mit dem Lernen beginnen, können Sie das Ganze abhaken.“ Es entsteht Panikmache, Schüler resignieren zum Teil, sind gelangweilt vom Lernstress, den sie nicht haben. Die Sonnenseite des Dualismus ist eine andere: Tradition verpflichtet. Schon seit der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts gibt es sie, die Bräuche. Man steht als Abiturjahrgang im Mittelpunkt. Was von allen restlichen Schülern verlangt wird?- Ausgelassenes, unterhaltsames Feiern, Schlachten mit rivalisierenden Schulen. Das Reifezeugnis scheint für viele unangebracht, das Feiern fällt zum Teil eskalativ aus. Eine Ablenkung zum Lernstress? Reaktion auf die Panikmache der Vorgesetzten? Es spielen so einige Faktoren eine Rolle. Den Höhepunkt erreicht diese Seite des Dualismus in der Mottowoche. Schüler verkleiden sich, sitzen alkoholisiert im nicht mehr ernst zunehmenden Unterricht. Vor der Schule sind aus den Autos minimale Electrobeats zu hören.

Nach der durchzechten Nacht im Funpark ist es denn auch vorbei, genau wie jedes Jahr. Tradition verpflichtet. Um beide Seiten des Dualismus in Einklang zu bringen, benötigt es den lateinischen Wortstamm des Wortes Abitur: abire- abgehen. In zweifacher Hinsicht eben.