Hagen.

Sie gehört zu den größten Energieverbrauchern der Stadt. 120 000 Tonnen Müll verbrennen alljährlich in den Öfen der Hagener Müllverbrennungsanlage (MVA). Doch die entstehende Hitze verpufft nicht etwa ungenutzt durch die Schlote. Sie speist das Fernwärmenetz zwischen Ischeland und Helfe. So trägt sie bereits seit Jahren erheblich zur Reduzierung des Verbrauchs an Primärenergie sowie zur Senkung des Verbrennungspreises des Hagener Hausmülls bei. Jetzt soll sogar noch eine neue Turbine diese Bilanz zusätzlich optimieren.

Aus dem Rathaus mehren sich jedoch die Signale, dass von Oberbürgermeister Jörg Dehm das Ende der Hagener MVA, die 2007 ihr 40-jähriges Bestehen feiern konnte, eingeleitet wird. Insbesondere die EDG (Entsorgung Dortmund GmbH), die heute bereits 20 Prozent der Anteile an der MVA hält, möchte die Anlage am Pfannenofen schließen und den Hagener Müll in der eigenen Anlage in Hamm verbrennen, nach Möglichkeit schon ab 2018. Hintergrund des Dortmunder Vorstoßes ist die Tatsache, dass angesichts der demografischen Entwicklung sowie des sich abzeichnenden Wegbrechens des Mülls aus den Kreisen Warendorf und Soest den deutlich größeren Anlagen in Hamm und Iserlohn – auch hier ist Dortmund beteiligt – bald die Auslastung fehlt. Da käme der EDG die Schließung der voll ausgelasteten MVA Hagen gerade passend.

Nach Informationen aus EDG-Kreisen soll dieses Vorhaben mit Jörg Dehm bereits vereinbart sein. Gesprächspartner des OB ist dort der neue Geschäftsführer der EDG, Frank Hengstenberg, der bis vor 15 Monaten noch Fraktionsvorsitzender der CDU im Rat der Stadt Dortmund war und über beste Kontakte zum Hagener Verwaltungschef verfügt. In gemeinsamen Gesprächen habe der Oberbürgermeister einer ersatzlosen Schließung der MVA Hagen zugestimmt, um den heimischen Müll künftig in Hamm und/oder Iserlohn verbrennen zu lassen. Ohne Mandat der politischen Gremien sei auch über einen Verkauf weiterer HEB-Anteile an die EDG geredet worden. Dass es Gespräche gebe, wollte Dehm in der jüngsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses gar nicht dementieren, hielt sich zu den Inhalten jedoch bedeckt. Dennoch sorgen die sich verdichtenden Gerüchte sowohl bei den HEB-Mitarbeitern als auch in den Fraktionen für Unruhe.

Neue Turbine würde Bilanz verbessern

Auf Nachfrage erklärte HEB-Geschäftsführer Werner König: „Es gibt von unserer Seite keine Initiative zur Schließung der Anlage. Im Gegenteil: Die Effektivität der Anlage soll jetzt durch den Bau einer Turbine zusätzlich verbessert werden.“ Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Energiewende soll diese Idee verstärkt umgesetzt werden, die erzeugte Fernwärme, die momentan neben dem Westfalenbad und der Ischelandhalle auch die Betriebsgebäude der Hagener Straßenbahn AG und die Firma Rentex sowie Schulen und Wohnhäuser entlang der Trassen mitsamt dem Stadtteil Helfe versorgt, künftig ganzjährig mit Hilfe eines so genannten Turbogenerators optimaler zu nutzen. „Die Neun-Millionen-Euro-Turbine könnte laut einem von Mark-E bestätigten Gutachten etwa 17 000 Megawatt Leistung pro Jahr liefern, der als Eigenstrom genutzt werden soll. Damit würde fast 500-mal so viel Energie wie durch die bestehende Solaranlage auf dem Dach des HEB-Gebäudes an Primärenergie ersetzt. Damit ließen sich etwa 4500 Haushalte pro Jahr mit Strom versorgen“, rechnet König vor.

In seinen Augen bestehe überhaupt keine Notwendigkeit, die MVA am Pfannenofen zugunsten anderer Anlagen zu schließen und künftig sämtliche Hagener Müllmengen in Richtung Ostwestfalen zu verfrachten. Zumal man den Hagenern aktuell günstigere Gebühren für ihre Mülltonnen anbieten kann als den Bürgern in den Nachbarstädten. In Hagen beträgt die Jahresgebühr für eine 60-Liter-Tonne bei 14-tägiger Leerung 96,15 Euro, in Iserlohn 119 Euro und in Dortmund 98,47 Euro, allerdings kommen in Dortmund noch zusätzlich 74 Euro für die Bio-Tonne dazu. Auch rein technisch betrachtet besteht für die heimischen Verbrennungsöfen momentan keinerlei Sanierungsstau. Gerade erst hat ein Gutachten belegt, dass innerhalb der nächsten 15 Jahre keine größeren Investitionen anstehen.

Wirtschaftliche Rahmenbedingungen müssen stimmen

König räumt ein, dass zwischen der Stadt Hagen, der EDG und dem HEB natürlich perspektivische Gespräche über die Zusammenarbeit in den kommenden Jahren geführt würden. Hintergrund sei, dass der bestehende Vertrag über die Mülllieferungen aus Dortmund 2017 endet und HEB gerne eine Fortsetzung der Zusammenarbeit erreichen möchte. In den Vorgesprächen, so König, habe auch der Oberbürgermeister dargestellt, dass er an einem Fortbestand der Hagener Anlage interessiert sei, wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen würden.

Durch den Bau der Turbine könnte dieser Anspruch umso mehr erreicht werden. Der so genannte Turbogenerator, der 2014 ans Netz gehen soll, könnte sich bereits innerhalb von acht Jahren – bis 2022 läuft noch der Entsorgungsvertrag mit der Stadt Hagen – refinanziert haben. Im Anschluss ließen sich etwa zwei Millionen Euro Kosten pro Jahr einsparen (hochgerechnet auf den heutigen Stromtarif). Laut Wirtschaftlichkeitsberechnung eine stattliche Einnahme, die natürlich auch den Hagener Gebührenzahler entsprechend entlastete.

Nach Aussagen von König besteht Einvernehmen zwischen den Gesellschaftern des Unternehmens, dass die weiteren Planungen (Genehmigungsplanung, Ausschreibung) für die Turbine kurzfristig realisiert werden sollen. Im Wirtschaftsplan für das Jahr 2012 wird die Geschäftsführung die Mittel für die Erstellung der Turbine vorsehen. Die Entscheidung trifft dann der Aufsichtsrat in seiner Sitzung im November 2011.