Hohenlimburg. .

Es ist ruhig im Haus. Ab und zu klappert eine Tür. Draußen im Garten spielen Kinder - vier oder fünf. Sie spielen fröhlich und ausgelassen. An den Flurwänden hängen bunte mit Filzstift gemalte Bilder. Die Wohnungen sind eher karg eingerichtet, zweckmäßig. Britta Sternemann (Name geändert) hat ein paar getrocknete Moosröschen aufgehängt, die grüne Frische eines Geburtstagsstraußes ist verwelkt. Viele persönliche Sachen hat sie nicht mitgebracht. Sie ist fest entschlossen, dass ihr altes Leben draußen bleibt. „Ich gehe nicht mehr zurück. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche“, sagt sie entschieden. Sie bleibt vorerst im Frauenhaus. Geschützt vor dem gewalttätigen Mann. Es reichte.

Aus eigenem Antrieb stand Sternemann an einem Nachmittag im Januar vor Sozialarbeiterin Sabine Wendt. Die beiden kennen sich. Vor 15 Jahren flüchtete sich Britta Sternemann schon mal ins Frauenhaus. Das tun durchschnittlich 100 Frauen - die meisten kommen aus der Region - jährlich - seit 30 Jahren. „Die meisten kommen nach einem Polizeieinsatz in der Wohnung zu uns“, erzählt Sabine Wendt.

Manche kommen wohlüberlegt, andere packen Hals über Kopf. Auch nachts. Wenn sie Dienst hat, dann macht auch Britta Sternemann die Tür auf. An den Wochenenden ud nachts übernehmen die Frauen die Kommandobrücke. Die Sozialarbeiterinnen vom Trägerverein Frauen helfen Frauen sind nur zu zweit. Sie managen die Tür und das Telefon, haben Flurputzdienste und sind für die Wäsche eingeteilt. „Wir bieten hier einen Schutzraum, setzen aber Lebensfähigkeit voraus. Die Frauen sind erwachsen“, sagt Silvia Knotte, Leiterin des Frauenhauses.

Kinderschutz
hat hohe Priorität

„Ich fühle mich wohl hier“, stellt Sternemann fest. Mit einer jüngeren Frau lebt sie zurzeit in einer der Wohnungen. Sie teilen sich Bad, Küche und Wohnzimmer. Die Jüngere könnte ihre Tochter sein. „Wir haben viele 18- bis 20 -Jährige hier“, beschreibt Sabine Wendt, die seit 1994 in der Einrichtung arbeitet. Diese Lebensphase ist noch eher von Unsicherheit beherrscht.

Untereinander herrscht Solidarität. Zurzeit haben sie eine 88-Jährige, die absolute Ausnahme. Die anderen Frauen kümmern sich mit um sie. „Das ist es, was wir uns wünschen: Frauen helfen Frauen“, so Knotte.

Inzwischen helfen auch Männer Frauen. Vor 30 Jahren wäre das undenkbar gewesen. Seitdem haben sich Frauenhäuser geöffnet: für Ämter und Institutionen, für die Öffentlichkeit - und für Männer. Ein Student kommt einmal wöchentlich, um sich um die Kinder- insbesondere die Jungs - zu kümmern. „Er ist ein positives Rollenvorbild“, analysiert Silvia Knotte.

Um die Kinder kümmern sie sich intensiv mit. Sie haben nicht nur unter Umständen selbst Gewalt erfahren, sondern werden auch aus ihrem schulischen und sozialen Umfeld gerissen. Allerdings werden sie in Hohenlimburg innerhalb von einer Woche wieder eingeschult. Die Kleineren werden vormittags im Frauenhaus betreut, für die Größeren gibt es fast jeden Tag eine Nachmittagsgruppe. „Um ihnen Stabilität zu bieten“, erklärt Knotte.

Auch die Mütter werden stabilisiert. Manche wollen viel reden, die meisten stehen plötzlich ohne Geld da, dann müssen Anträge geschrieben werden - in der Regel auf Hartz-IV-Leistungen. Bei der Wohnungssuche helfen die Sozialarbeiterinnen schon mal. „Wir versuchen, das Leben der Frauen neu zu ordnen. Sie sollen erleben, dass sie eigenständig sein können“, sagt Silvia Knotte. Gewalt zerschlägt alle Strukturen - und kommt heute unsichtbarer daher.

Früher, vor 30 Jahren, galt das Klischee des blauen Auges. „Heute geht es nicht mehr nur um physische, sondern auch um psychische Gewalt“, so Sabine Wendt - zu den Schlägen kommen Sucht, Wohnungslosigkeit, Erziehungsschwierigkeiten.