Hagen.

Der Mann redet lebendig, spricht mit offenem Blick ins Auditorium, wendet sich in direkter Ansprache an seine Zuhörer. Dabei sind die Stuhlreihen, die vor ihm stehen, leer. Dennoch zieht Johannes Lehmann (s)ein Publikum in seinen Bann - mit literaturgeschichtlichen Ausführungen über die Epoche der Aufklärung. Lehmann redet ins Nichts.

Zur ersten Aufzeichnung einer Vorlesung hat Lehmann, der momentan als Literaturwissenschaftler eine Lehrstuhlvertretung an der Fernuni inne hat, seine Mitarbeiter verpflichtet. „Damit es sich nicht so künstlich anfühlt.“ Inzwischen steht er zum dritten Mal allein im Raum am Rednerpult, ein kleines Mikro am Revers. An Lebendigkeit lässt sein Vortrag nicht missen. es ist Routine - und hohe Kunst. „Das Gesprochene hat schriftlichen Charakter.“ In 140 Minuten, die sich um die Aufklärung drehen, ist normalerweise schnell mal was dahingesagt. Lehmann kann’s nicht korrigieren, es gibt keine Folgeveranstaltung in der nächsten Woche. Das gesprochene Wort gilt bis in alle Ewigkeit - und steht rund zwei Stunden nach Aufzeichnungsende bereits abrufbar im Internet. Nicht für die ganze Welt, aber für die Studis der Fernuni: der Vortrag, die Folien mit Schaubilder und Zitaten, ein Inhaltsverzeichnis. Dann kann man sich zielgerichtet durch die Kapitel klicken.

Mittlerweile nutzt die Hagener Hochschule alle Kanäle, um das Wissen an den Mann und die Frau zu bringen. Ergänzend zu den klassischen Studienbriefen gibt es virtuelle Vorlesungen und Seminare. „Es läuft dem Gedanken der Fernuni zunächst zuwider“, räumt Hartmut Raiser vom Zentrum für Medien und IT ein. Sie unterscheidet sich nun mal grundlegend von einer traditionellen Präsenzuni. Aber sie hat die Nase beim Einsatz moderner Medien immer schon vorne gehabt.

„Wir wollten eben traditionelle Vorlesungen anbieten. Angefangen haben wir vor zehn oder zwölf Jahren mit Videostreaming“, erinnert sich Raiser, der von Haus aus Psychologe ist und sich an der Fernuni lange schon um Didaktik , also die Art und Weise der Wissensvermittlung, kümmert. Zunächst hat er drei Jahre Klinken geputzt, bis sich Dozenten dafür erwärmen konnten, Vorlesungen virtuell zu halten. Inzwischen gibt es auch interaktive Angebote. „Da könnte es dann wegen der gleichzeitigen Zugriffe schon mal schwierig für den Server werden“, sagt Raiser. Zurzeit stehen Prüfungen an, dann tummeln sich 100 bis 150 Studierende gleichzeitig auf der Internetplattform der Fernuni. „Rund um die Uhr“, schiebt Raiser ein. Man trifft sich im weltweiten Web für Seminare, kann sich als Studierender live austauschen. Studis verabreden sich für Arbeitsgruppen über Skype, über Computertelefon, oder Videokonferenzen. Einer sitzt in Australien, einer in Thailand, einer in Bayern. Die Fernuni hat die Ferne in die Nähe holen können“, untermauert Lehmann. Bis auf den heimischen Schreibtisch hat sie sie geholt.