Hagen. Das Unternehmen Wintershall untersucht Gesteinsproben in Hagen und im Umland, um festzustellen, ob in mehreren tausend Metern gebundenes Gas lagert. Gefördert würde es mit der umstrittenen Fracking-Methode. Wintershall-Chef Pünnel stellte sich in Hagen Kritikern.

Sieht so ein Konzernchef aus, der sich im Gasrausch durch halb Nordrhein-Westfalen bohrt und ungehemmt toxische Substanzen in die Erde pumpen lässt, um den Rohstoff zu fördern? Joachim Pünnel, Deutschland-Chef des größten deutschen Erdöl- und Erdgasproduzenten Wintershall, versuchte am Donnerstag Abend im Kegelcasino jeden Eindruck zu vermeiden, sein Unternehmen wolle das unkonventionelle Erdgas, von dem Millionen Kubikmeter unter der Oberfläche NRWs vermutet werden, um jeden Preis fördern. Pünnel, auf Einladung der Grünen in Hagen, gab sich betont nüchtern.

Damit lag er im Trend der Veranstaltung, auf der unaufgeregt über das Förderverfahren Fracking diskutiert wurde, mit dem in einigen Jahren auch in Hagen Erdgas zu Tage gefördert werden könnte.

Wintershall-Chef Joachim Pünnel.
Wintershall-Chef Joachim Pünnel. © WP

Denn Wintershall hatte sich vor knapp einem Jahr unbemerkt von der Öffentlichkeit weite Teile des Hagener Stadtgebietes und des Umlandes als Claim gesichert, um in den kommenden drei Jahren zu untersuchen, ob unkonventionelles Gas aus Schieferschichten geholt werden kann. Pünnel sicherte künftig ein deutliches Mehr an Transparenz zu. Norddeutsche Bürgerinitiativen hatten das Unternehmen Exxon, das dort bereits gefrackt hat, immer wieder eine massive Verschleierungspolitik vorgeworfen.

Bei der sogenannten Fracking-Technologie werden große Mengen Flüssigkeit ins Gestein gepresst, darunter auch giftige Substanzen, um das gebundene Gas zu lösen.

Wassergefährdungsklasse 1 oder niedriger

Doch die Forschung schreite voran, beschwichtigte Pünnel. „Man versucht Frack-Flüssigkeiten zu entwickeln, die die Wassergefährdungsklasse 1 oder niedriger haben.“ Überdies sei sein Unternehmen nicht unerfahren in dieser Technologie. In Deutschland habe man bereits 16 mal gefrackt – unfallfrei. Er räumte aber ein, dass zwischen 50 und 80 Prozent der Frack-Flüssigkeit in 2000 bis 5000 Metern tiefe in der Lagerstätte zurückbleiben. „Die Lagerstätten sind aber seit Jahrmillionen dicht. Sonst wäre dort auch kein Erdgas“, so Pünnel.

Die Sorge vieler Kritikern gilt in diesem Zusammenhang dem Grundwasser, das schon durch sehr geringe Mengen toxischer Stoffe schwer geschädigt werden könnte. Roland Rüther, Abteilungsleiter Trinkwassergewinnung und -beschaffung der Mark E, gab dem Wintershall-Chef einen Forderungskatalog aus Sicht des Wasserversorgers mit auf den Weg. „Es dürfen keine Substanzen zur Anwendung kommen, die das Trinkwasser gefährden können.“ Wintershall müsse, falls es zu Frack-Bohrungen komme, eine Liste mit sämtlichen Stoffen, die verwendet werden, veröffentlichen. „Da darf es keine Betriebsgeheimnisse geben“, so Rüther. Außerdem müsse der Wasserversorger an Planungen beteiligt werden. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung, die das Bergrecht aber erst ab einer Fördermenge von täglich 500 000 Kubikmetern vorsieht, sei aus seiner Sicht unverzichtbar. Beim Fracking werden in der Regel geringere Mengen zu Tage getragen. Die zuständige Bezirksregierung hatte jüngst angekündigt, eine Änderung des Gesetzes anzustreben.

Den Dialog suchen

Ob in Hagen oder im Umland nach Gas gebohrt werde, entscheide sich ohnehin erst in den nächsten drei Jahren. Gefrackt werde in frühestens sieben oder acht Jahren, so Wintershall-Chef Pünnel. „Das ist abhängig davon, was wir vorfinden.“ Möglicherweise werde das Unternehmen aber Genehmigungen für „flache Kernbohrungen“ schon im Sommer dieses Jahres bei der Bezirksregierung beantragen. Diese bis zu 200 Meter tiefen Bohrungen dienen zur Förderung von Gesteinsproben. Welche Areale dafür in Frage komme, könne indes noch nicht beantwortet werden. Die Wintershall-Holding, versicherte Pünnel den rund 60 Besuchern im Kegelcasino, werde eine offensive Öffentlichkeitsarbeit leisten. „Wir werden mit ihnen den Dialog suchen.“

Vielleicht ist das eine Lehre, die Unternehmen bei der Planung von umstrittenen Projekten aus dem Stuttgart-21-Desaster gezogen haben.