Haspe.

Die Brandt-Brache bietet einen unwürdigen Anblick. Die einst romantisch-wehmütigen Gefühle sind bei den Hasper längst tiefer Scham gewichen. Wer als Fußgänger unter den Brandt-Brücken hindurch entlang der Backsteinfassaden schleicht, zieht gerne einmal prophylaktisch den Nacken ein, weil die Bauten an der B7 eher nach Verfall denn nach Denkmal aussehen. Eine wirtschaftliche Nutzung des Areals liegt im Nebel der Zukunft. Heinz Windhäuser, Geschäftsführer des Projektentwicklers Freiherr von Maydell, setzt dennoch auf einen zweiten Anlauf, an der Enneper Straße ein Factory-Outlet-Center (FOC) zu realisieren.

Das angedachte Konzept, das bereits vor vier Jahren in Hagen, aber vor allem auch in den Nachbarkommunen kon­trovers und voller Sorge diskutiert wurde, liegt weiterhin griffbereit in den Schubladen. Und auch der potenzielle Investor steht noch mit hohem Interesse zur Verfügung. Demnach will der niederländische Betreiber Stable International Development B.V. (Amersfoort), der ähnliche Projekte auch in Leipzig und Montabaur realisiert, auf etwa 14 000 Quadratmetern Verkaufsfläche etwa 70 Ladeneinheiten mit Markenware etablieren. Die jährlich bis zu 1,5 Millionen Besucher sollen im einstigen Zwieback-Werk etwa 1000 Stellplätze vorfinden. Die Kölner Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) prognostizierte 2007 dem Hasper Outlet-Village eine Umsatzleistung von 56 Millionen Euro. Im Einzugsgebiet (bis zu 60 Minuten Fahrzeit), so rechneten die Konsumexperten in ihrer Analyse vor, lebten fast 14 Millionen Menschen die über eine Kaufkraft von 14,7 Milliarden Euro verfügten. Das Investitionsvolumen soll bei 60 Millionen Euro liegen. Somit sollen etwa 300 neue Arbeitsplätze entstehen.

Planungsrechtliche Hürden vom Gericht niedergerissen

Neben dem mehr oder weniger heftigen Widerstand aus den Nachbargemeinden und -kreisen sowie aus dem Haus der Südwestfälischen Indus­trie- und Handelskammer scheiterte die Idee vor allem an der fehlenden planungsrechtlichen Grundlage. Doch diese scheint inzwischen durchaus gegeben. Denn zuletzt erregten zwei NRW-Urteile Aufsehen in der Welt der FOC-Entwickler. Mit Urteil vom 26. August 2009 (VerfGH 18/08) stellte der Landesverfassungsgerichtshof fest, dass § 24a Abs. 1 Satz 4 Landesentwicklungsprogramm (LEPro) nichtig sei, weil er willkürlich in das kommunale Selbstverwaltungsrecht eingreife. NRW verfügt seitdem über keinerlei verbindliche Regelung zur raumordnerischen Steuerung der Ansiedlung von FOC. Ein Beschluss, der vom Oberverwaltungsgericht Münster (30. September 2009, Az.: 10 A 1676/08) noch einmal unterstrichen wurde. „Die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes NRW und des OVG Münster markieren einen Wendepunkt in der planungsrechtlichen Rechtsprechung und stellen deutschlandweit eine Vielzahl planungsrechtlicher Normen auf den Prüfstand“, interpretierte der an den Verfahren beteiligte Düsseldorfer Jurist Dr. Johannes Grooterhorst die beiden Urteile. „Diese Entscheidungen schwächen detaillierte Vorgaben für die Ansiedlung von FOC auf dem deutschen Markt.“

Vor diesem Hintergrund setzt Maydell-Geschäftsführer Windhäuser, der Ende vergangenen Jahres erst wieder mit dem Konzept eines Vollsortimenters mit einer Verkaufsfläche von mehr als 4000 Quadratmetern von der Politik wegen drohender Zentrenschädlichkeit ausgebremst wurde, jetzt erneut voll auf die Outlet-Karte: „Derzeit steht keine rechtlichen Bestimmungen einer Genehmigung entgegen“, erinnert der Offenburger Unternehmer daran, dass der Hagener Rat bereits im März 2007 die Verwaltung mit breiter Mehrheit „beauftragt hat, die rechtlichen, planerischen und gutachterlichen Voraussetzungen für die Ansiedlung eines Factory-Outlet-Centers auf der Brandt-Brache einzuleiten“. Ein Auftrag, der in der Zwischenzeit jedoch eher leidenschaftslos vorangetrieben wurde.

Politik soll noch einmal entscheiden

Vielmehr haben die Planer mit der Politik sich darauf verständigt, in einer der nächsten Sitzungen des Stadtentwicklungsausschusses zunächst noch einmal einen Sachstandsbericht zur FOC-Thematik abzugeben und notfalls noch weitere Informationen vom potenziellen Investor einzuholen, um dann vom neuen Rat das inzwischen vier Jahre alte Positiv-Votum noch einmal erneuern zu lassen. Im Anschluss, so versichert Projektentwickler Windhäuser, könnten sofort ein Verkehrsgutachten sowie ein detailliertes Einzelhandelsgutachten in Auftrag gegeben werden, um die Machbarkeit zu dokumentieren.

Sollte das Stadtparlament die Investition jedoch nicht mit einer breiten Mehrheit unterstützen, droht der FOC-Zug endgültig an Haspe vorbeizurauschen und stattdessen in Remscheid Station zu machen. Dort bemüht sich der Investor Mc Arthur Glen, der auch das Outlet in Roermond betreibt, um die Umsetzung eines ähnlichen Konzeptes. „Wenn diese Investition kommt, hat sich der Standort Haspe erledigt“, erinnert Windhäuser daran, dass Hagen ebenfalls im Einzugsbereich eines FOC-Remscheid liege. „Noch haben wir die Nase angesichts der geklärten Grundstückssituation vorne“, drängt der Kaufmann aufs Tempo. Wohl ahnend, dass kleinteilige Konzepte an der Enneper Straße kaum Aussicht auf Realisierung haben: „Allein die Abrisskosten der leerstehenden Produktionshallen dürften inzwischen bei zwei Millionen Euro liegen.“