Herbeck.

Prachtvolle Bauwerke, ruhmreiche Cäsaren: Der Alltag des römischen Reichs ist heute genauestens bekannt. Anders ist es bei dem der Germanen. Umso wichtiger ist es, die Siedlungsspuren, die in Herbeck entdeckt wurden, für die Forschung zu sichern.

Wie sich der Alltag vor 2000 Jahren im römischen Reich gestaltete, lässt sich heute nahezu vollständig nachvollziehen. Prachtvolle Bauwerke und ungezählte Heldenepen haben Architekten und Lohnschreiberlinge der Cäsaren der Nachwelt hinterlassen. Und all die ungeschriebenen Geschichten wurden inzwischen durch Archäologen nachgezeichnet. Doch was sich in unserer Heimat, dem mit römischer Arroganz meist als dunkel und barbarisch skizzierten Germanien abspielte, bleibt bis heute oft nebulös. Umso wichtiger erscheint es, dass die Siedlungsspuren, die jetzt in Herbeck auf städtischem Gelände entdeckt wurden, für die Forschung gesichert werden.

Es ist nicht etwa das spektakuläre Feld auf dem einst Legionäre und germanische Stammesfürsten mit ihrer Gefolgschaft aufeinander prallten. Wo einst die Varus-Schlacht tobte, finden sich bis heute noch spektakuläre Funde. In Herbeck, vorzugsweise im Winkel von Dolomitstraße und Öhlmühlenbach, spielte sich der ganz normale Familienalltag – mal entbehrungsreich, oft mühselig, aber ebenso auch fröhlich und ausgelassen – dieser Zeit ab.

Ideales Gelände für Ackerbau

Der sanft ansteigende Hang zwischen Lenneflussbett und den Höhen in Richtung Emst und Haßley eignete sich für die Bauersleute bereits in den Jahren vor Christi Geburt (späte Eisenzeit) bis ins Frühmittelalter hinein als ideales Gelände für Ackerbau und Viehzucht. Der fruchtbare Boden am Rande der Hochwassergebiete bot sich ideal für Hofstellen an, in denen ganze Sippen ihren Alltag bewältigten. „Wie diese Gruppen organisiert waren, welche administrativen Strukturen es damals schon gab, darüber wissen wir sehr wenig“, erläutert Dr. Michael Baales, federführender Archäologe beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe, die Motivation der Forscher, die in den letzten Wochen des vergangenen Jahres das etwa zehn Hektar große Untersuchungsgelände im wahrsten Sinne des Wortes unter die Lupe nahmen.

Wie wir heute nicht zuletzt von der Varus-Schlacht wissen, waren die Germanen durchaus in der Lage, regionale Strukturen und Bündnisse zu knüpfen, sich als Stämme zu organisieren und unter der Führung eines Fürsten in den Kampf zu ziehen. Doch diese Zweckbündnisse auf Zeit fielen aber schnell wieder auseinander und die Clans gingen ihre eigenen Wege. Aus wilden Krieger-Haufen wurden wieder harmlose Bauersleute. Spuren ihres Alltags, die weitere Ausgrabungen sinnvoll erscheinen lassen, wurden von der Essener Spezialfirma Archbau, die unter anderem auch bei der Sicherung der Dokumente aus dem eingestürzten Kölner Stadtarchiv sich einen Namen machte, bereits gesichert. Dabei geht es nicht nur um Tonscherben und Keramik-Spuren sondern vor allem um die Hinterlassenschaften von Gebäuden.

Ansiedlungen auf Zeit

Durch Baggersondagen wurden die Pfostengruben der Hof­stellen offenkundig. Der Landschaftsverband möchte die aussichtsreichsten Fundstellen näher unter die Lupe nehmen. Archiv-Foto:Michael Kleinrensing
Durch Baggersondagen wurden die Pfostengruben der Hof­stellen offenkundig. Der Landschaftsverband möchte die aussichtsreichsten Fundstellen näher unter die Lupe nehmen. Archiv-Foto:Michael Kleinrensing © WP Michael Kleinrensing

In den von Baggerschaufeln aufgezogenen Erdfurchen finden sich in dem lehmigen Untergrund kreisrunde, etwas dunklere Erdflecken, die einst die Fundamente von Pfahlbauten bildeten. Die Anordnung der so genannten Pfostengruben lässt den Grundriss von Fachwerkgebäuden erahnen, deren Öffnungen einst mit Flechtwerk und Lehm abgedichtet wurden. „Dabei handelte es sich oft um Ansiedlungen auf Zeit“, weiß Archäologe Baales, dass sich die germanischen Landwirte oft neu orientiert haben, wenn die Böden um sie herum ausgelaugt waren und nicht mehr die erhofften Ernteergebnisse lieferten.

Bei ihren Voruntersuchungen (60 000 Euro) haben die Experten des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in Herbeck drei bis vier Zentren ausgemacht, die sie noch näher untersuchen und dokumentieren wollen, bevor das Gelände als Gewerbegebiet oder für eine neue Justizvollzugsanstalt vermarktet werden kann. Dabei handelt es sich unter anderem um eine Fundstelle, die auf eine Töpferei hindeutet und wo noch ein Töpferofen vermutet wird. Aber auch bei einigen Behausungen will man noch breiter den Ackerboden beiseite schieben, um die Dimensionierung der Gebäude nachvollziehen zu können.

Kostenaufwand: 450 000 Euro

„Die Befundlage ist nicht so dicht, dass eine komplizierte Bergung notwendig ist“, geht Baales davon aus, dass die Nachfolgearbeiten im Jahr 2011 abgeschlossen werden können. Baudezernent Thomas Grothe rechnet vor, dass noch etwa drei Hektar zu ergraben sind und schätzt den Kostenaufwand auf etwa 450 000 Euro. Ein Betrag, über den der Verwaltungsvorstand in zwei Wochen entscheiden will. Parallel zu den Arbeiten kann mit der Vermarktung des übrigen Gewerbegebietes bereits begonnen werden.