Hagen.

Eine Kaffeemaschine im Büro ist ja nichts Besonderes. Ein Aquarium wirkt schon ausgefallener. Der Luftparfümierer abenteuerlich. Beim Blick in die Liste privat angeschlossener Elektrogeräte im Hagener Rathaus I ist Erstaunen garantiert.

Was braucht der städtische Bedienstete für ein Büroumfeld, um in kuscheligem Wohlfühlambiente optimale Leistung abzuliefern? Ein Blick in die Liste sämtlicher privat angeschlossener Elektrogeräte im Rathaus I liefert einen verblüffend präzisen Überblick: Das atmosphärische Harmonie bescherende Spektrum reicht von Eierkochern und Heizlüftern über Fernseher und Raumluftbefeuchter bis hin zu voll ausgestatteten Aquarien.

Insgesamt 1031 von daheim mitgebrachte Helferlein (kein Silvester-Gag!) listet eine Zusammenstellung aus den 390 Amtsstuben des innerstädtischen Gebäudekomplexes auf.Spitzenreiter in der Milieustudie sind – traditioneller deutscher Bürokultur entsprechend – natürlich die Kaffee- und Teeautomaten sowie die Wasserkocher. Doch wer nun gutgläubig meint, dass diese sich fein säuberlich auf die 18 Teeküchen im zentralen Rathaus (Altbau am Ebert-Platz, L-Riegel entlang der Rathaus- und Holzmüllerstraße, OB-Sitz sowie Hochhaus) verteilen, denkt einen Tick zu naiv. Auf etwa 630 Mitarbeiter entfallen stolze 246 private Kaffeemaschinen, weitere 208 Wasserkocher sowie drei Teemaschinen. Damit brüht sich nahezu jeder Bedienstete am eigenen Gerät sein Heißgetränk – zwei gönnen sich sogar einen Elektro-Tassenwärmer.

Vom Ventilator bis zum Luftparfümierer

Eine Kaffeemaschine am Arbeitsplatz ist ja eigentlich noch nicht ungewöhnlich. Foto: Gerd Lorenzen
Eine Kaffeemaschine am Arbeitsplatz ist ja eigentlich noch nicht ungewöhnlich. Foto: Gerd Lorenzen © WP

Doch es sind nicht etwa die Klassiker der Amtsstuben-Wirklichkeit, die den Bürger staunen lassen, sondern vor allem die energiefressenden Apropos. So scheinen 166 (!) Ventilatoren, 42 Heizlüfter sowie ein Radiator (die beiden letztgenannten sind laut Dienstvereinbarung ausdrücklich verboten) für ein extrem trockenes Raumklima zu sorgen. Ein Zustand, an dem die vier ebenfalls aufgelisteten Raumluftbefeuchter sowie ein Luftparfümierer vermutlich nur wenig ändern. Oder soll der Duftoptimierer im Bedarfsfall gar eine Überproduktion an Büroschweiß übertünchen?

Vielleicht gilt es aber auch, Essensgerüche, die träge durch die Rathausflure wabern, zu eliminieren. Denn für sämtliche kulinarische Eventualitäten scheint die Rathausbelegschaft – auch abseits der Küchentechnik im Repräsentationsbereich des OB-Traktes – optimal gerüstet zu sein. Zum ausgedehnten Privat-Maschinenpark, der auch ein opulent ausgerüstetes TV-Kochstudio locker in den Schatten stellt, gehören 38 Mikrowellen, zwei Waffeleisen, eine Warmhalteplatte, ein Mixer, fünf Eierkocher, zehn Toaster, sechs Kühlboxen, ein Backofen, zwei ausgewachsene Herdplatten sowie eine komplette Kleinküche. Die anschließende Reinigung sichert zumindest in einer Amtsstube des Hochhauses sogar ein Staubsauger.

Städtische Stromzähler brummen

Beim Aquarium in der Amtsstube darf ein Stirnrunzeln schon erlaubt sein. Foto: Martina Dinslage
Beim Aquarium in der Amtsstube darf ein Stirnrunzeln schon erlaubt sein. Foto: Martina Dinslage © WP

Wer in der Auflistung die Kühlaggregate vermisst, dem sei zum Trost versichert, dass diese in den 18 Teeküchen von der Hagener Gebäudewirtschaft ohnehin standardmäßig installiert sind. Allerdings erscheint so manchem Bediensteten der Weg zum Joghurt über die langen Flure hinweg offenkundig doch ein wenig zu mühsam, so dass noch 45 (!) weitere private Büro-Kühlschränke am städtischen Stromzähler brummen.

Für akustisches Wohlbefinden sorgen zudem 146 Radiogeräte, optische Atmosphäre erzeugen 17 Lichterketten (die Erhebung stammt aus dem Sommer), und zeitliche Orientierung verschaffen – neben der ohnehin vorhandenen Stunden- und Minutenanzeige an jedem Rechner – 57 Elektro-Uhren. Selbst schuppige Kleintierhaltung ist in den Büros der Hagener Stadtverwaltung kein Tabu: Die Liste der „elektrischen Betriebsmittel“ weist drei stattliche Aquarien inklusive Beleuchtung, Pumpe, Heizung und Filter aus.

Kosten trägt der Steuerzahler

Die Wartung dieses gigantischen privaten Elektro-Helferparks trägt der Steuerzahler. Seit die

Gebäudewirtschaft nicht mehr über eigene Elektriker verfügt, zieht einmal im Jahr eine Fremdfirma durch die Räumlichkeiten des Rathauses, aber auch durch alle weiteren städtischen Gebäude und checkt sämtliche Geräte aus Sicherheitsgründen auf ihre volle Funktionsfähigkeit. Dabei stehen natürlich in erster Linie die kommunalen Computersysteme im Fokus. Da die Techniker jedoch kaum unterscheiden können, bei welchem Gerät es sich um ein städtisches handelt und welches aus privaten Beständen stammt, wird die von den Bediensteten mitgebrachte Heimtechnik gleich mitgeprüft. Kosten pro Gerät: 3,50 Euro, Jahreshonorar: 70 000 Euro.

Übrigens: Die Experten des heimischen Energieversorgers haben sich dankenswerterweise die Mühe gemacht, die unserer Zeitung vorliegende Liste der 1031 Privatgeräte mal unter die energetisch-fachmännische Lupe zu nehmen. Ihre vorsichtige Schätzung für etwa 200 Büro-Arbeitstage pro Jahr: Die Elektrohelfer verbrauchen gut 100 000 Kilowattstunden – das entspricht jährlichen Kosten von mehr als 20 000 Euro.

Kommentar:

Natürlich gehören private Elektrogeräte in deutschen Amtsstuben nicht verboten. Hier mal eine Kaffeemaschine und dort mal ein Ventilator sind völlig okay und von offizieller Seite sogar ausdrücklich geduldet. Doch wenn es um Backöfen, Eierkocher, Heizlüfter, Aquarien, Waffeleisen, Luftbefeuchter oder gar Kleinküchen geht, ist das Maß des Tolerablen oder auch Erträglichen weit überschritten.

Dabei sind 1031 Privatgeräte in 390 Amtsstuben für 630 Beschäftigte nur ein kleiner Ausschnitt des elektrotechnischen Innenlebens der Stadt. Was passiert wohl im Sozialen Rathaus am Bahnhof oder beispielsweise in den Bürgerämtern? Kaum vorstellbar, dass es zu den beschriebenen Auswüchsen nur in der Innenstadt kommen soll.

Im Rahmen des Sparpaketes hat die Gebäudewirtschaft angedacht, durch eine Schärfung des Energiebewusstseins an Hagener Schulen die jährlichen Kosten für Strom und Heizung um fünf Prozent drosseln zu wollen. Offenkundig tut sich auch in den Rathausbüros für 2011 ein weites Sensibilisierungsfeld auf . . .