Hagen.

Einer Briefsortiererin wird von der Post gekündigt, weil sie vergessen hatte ihre Uhr auf Sommerzeit einzustellen und deshalb eine Stunde zu spät kam. Nun steht sie vor dem Hagener Arbeitsgericht - im skurrilsten Fall des Jahres.

Es ist der verrückteste ­Kündigungsfall, mit dem sich das Hagener Arbeitsgericht in diesem Jahr befassen musste: Bettina B. (44) wurde von der Post entlassen, weil sie vergessen hatte, ihre Uhr auf Sommerzeit umzustellen und deshalb genau eine Stunde zu spät zur Arbeit kam.Diesen Termin wird sich die Briefsortiererin garantiert ab sofort rot und dick im Kalender anstreichen: der jährliche Sonntag, an dem die Uhren eine Stunde vorgestellt werden müssen. Sonst läuft Bettina B. am 27. März nächsten Jahres große Gefahr, die nächste Kündigung in die Hand gedrückt zu bekommen. „Die Deutsche Post hält sie auf Dauer für unzuverlässig“, schätzte deren Jurist Jürgen Nagelsmeier die Mitarbeiterin ein. Aber er bot ihr noch 15 000 Euro Abfindung an. Sie winkte ab.

In diesem Jahr fiel Sommerzeitbeginn auf den 28. März. In den späten Abendstunden des Sonntags hätte die Hagenerin eigentlich um 23.30 Uhr zur Nachtschicht erscheinen müssen. Doch Bettina B. kam erst um 0.30 Uhr im Briefverteilzentrum Lennetal an. Sie war geradezu verwundert, unpünktlich zu sein. „Diesmal ist die Zeitumstellung regelrecht an mir vorbei gegangen“, entschuldigte sie sich.

Entlassung nicht zugestimmt

Das wollte die Deutsche Post als Grund nicht gelten lassen. Sie kündigte der 20-Stunden-Teilzeitkraft, obwohl der Betriebsrat ihrer Entlassung nicht zugestimmt hatte. So landete der Fall auf dem Tisch von Richter Jürgen Schlösser. Der machte bereits während der Verhandlung deutlich: „Der eine Vorfall wegen der Sommerzeit reicht uns bei einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren als Kündigungsgrund nicht aus.“

Doch der Vertreter der Post blieb stur: „Das Arbeitsverhältnis ist beendet. Die Niederlassung will es auch nicht fortsetzen.“ Bettina B. beteuerte, sie hänge an ihrem Arbeitsplatz. Kein Wunder: Die Halbtagsstelle ist mit 1582 Euro nicht gerade schlecht bezahlt. „Aber für 27 500 Euro“, so DGB-Rechtssekretär Martin Kühtz, „würde sie ihren Platz doch räumen. Nicht für einen Cent weniger.“ Herr Nagelsmeier von der Post schäumte: „Glauben Sie, bei uns kommt das Geld aus der Steckdose? Das ist jenseits der Realität.“

Nun hat die Post ein Pro­blem. Sie wurde verurteilt, Bettina B. weiterzubeschäftigen (Aktenzeichen 3 Ca 1000/10). Bis in zweiter In­stanz das Landesarbeitsgericht über die „Sommerzeit-Kündigung“ entscheiden wird, dürfte bereits die nächste Sommerzeit angebrochen sein.