Hagen.
Ja, hat man das schon erlebt? Als Tiefdruckgebiet Petra am Donnerstag heftigen Schnee über der Stadt abwarf, ließen die Mitarbeiter des Hagener Entsorgungsbetriebs (HEB) ihre Räumfahrzeuge stehen und gingen nach Hause.
Nur eine Reserveeinheit rückte aus und dem Schnee zu Leibe. Vergeblich. Die Straßen versanken unter dem weißen Fall. „Das ist das Arbeitszeitgesetz“, rechtfertigte Detlef Liedtke, Chef des Winterdienstes, gestern den pünktlichen Dienstschluss für das Gros seiner Mitarbeiter. Seit dem frühen Morgen hätten sie auf den angekündigten Schneefall gewartet, doch der sei nicht gekommen. Als er dann am Nachmittag endlich einsetzte und Straßen und Wege unter sich begrub, war die Arbeitszeit der Männer abgelaufen.
„Ich musste sie nach Hause schicken, ob ich nun wollte oder nicht“, sagte Liedtke. „Wenn einer beim Räumen einen Unfall gebaut hätte, dann wäre ich dran gewesen.“ Dafür rief er sieben Reservefahrer herbei, die sich bis dahin in Bereitschaft gehalten hatten und im Laufe des Abends hinters Steuer setzten, gegen das Schneetreiben allerdings machtlos waren. Sicherlich sei die Situation auf den Straßen dadurch unfreiwillig verschärft worden, gab Liedtke zu: „Mir waren aber die Hände gebunden. Ich konnte nicht anders entscheiden.“
Autofahrer auf der Palme
Die Autofahrer waren auf der Palme. Auf den verschneiten Fahrbahnen im Stadtgebiet kam es zu 16 Unfällen. Der Emilienplatz war zwei Stunden lang blockiert, weil ein Lastwagen und ein Gelenkbus querstanden. Erst ein mit Schneeketten bestücktes Abschleppfahrzeug brachte den Bus wieder in die Spur.
Heute kam es erneut zu stundenlangen Verzögerungen auf der Eckeseyer Straße. Zahlreiche Lastwagen scheiterten an der kurzen, glatten Steigung hinauf zur Altenhagener Brücke. Ein HEB-Mitarbeiter streute aus einem Eimerchen Salz unter die Reifen, immerhin acht Laster konnten den Anstieg dank dieser Hilfe bewältigen. Die Bürger schäumten: „Eine Sauerei, was sich der HEB leistet, wirklich das Allerletzte“, schimpfte Spediteur Peter Ottensmann aus Vorhalle. 30 Fahrzeuge seiner Firma hingen an verschiedenen Stellen der Stadt fest: „Wäre rechtzeitig geschoben worden, hätte man das Chaos verhindern können.“
Arznei-Auslieferungen abgesagt
Auch andere Branchen waren betroffen. Jörg Pesch, Vorsitzender des Hagener Apothekerverbandes: „Wir mussten Arznei-Auslieferungen absagen, weil nicht einmal die Hauptverkehrswege geräumt waren. Dafür habe ich kein Verständnis.“ Sicher sei das Wetter extrem gewesen, doch in einer solchen Ausnahmesituation müsse man erwarten dürfen, dass der Räumdienst einmal die Nacht hindurch arbeite.
Von katastrophalen Verhältnissen sprach auch Taxifahrer Andrzej Wodzislawski aus Priorei: „Ich kann es nicht glauben, viele Straßen werden einfach nicht geschoben.“ Einige Taxiunternehmen stellten den Betrieb ein.
„Hier ist ja gar nichts gemacht worden“
Der Unmut der Bevölkerung blieb der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer nicht verborgen. Deren stellvertretender Hauptgeschäftsführer Kurt Buchwald sagte, seines Wissens sei Hagen die einzige Stadt mit nicht geräumten Straßen: „Sicherlich muss nicht jede Nebenstraße geräumt werden, aber hier ist ja gar nichts gemacht worden. So kann man mit den Unternehmern, denen die Stadt gerade die Gewerbesteuer erhöht hat, nicht umgehen.“
Verschlimmert wurde die Lage durch die Sperrung der A1. Zahlreiche Autofahrer suchten einen Umweg durch die Innenstadt. Erst um 10 Uhr gestern Morgen gab die Polizei die Auffahrten Hagen-Nord und Hagen-West in Richtung Köln wieder frei.
So mancher Schüler mag sich gefreut haben. Weil die Busse nicht fuhren, fiel der Unterricht an einigen Lehranstalten aus oder wurde nach wenigen Stunden beendet.