Hagen.

Auch wenn sich der Tod nicht ausblenden lässt, soll das Leben lebenswert bleiben. Darum kümmert sich das Palliativ-Pflegeteam der Caritas. Die Schwestern wechseln Verbände und dosieren Medikamente. Aber sie reden auch, scherzen und hören zu.

Erst der Schlüssel an der Wohnungstür, dann ein vorsichtiges Klopfen, schließlich die gute Laune: „Ich bin’s - das Mariechen“, dringt es aus dem Flur im Wohnzimmer. Marion Schaarschmidt sitzt auf dem Sofa. Aus ihrem Bett im Schlafzimmer nebenan hat sie es bis hierher geschafft. Mit Hilfe, jeder Schritt ist ein Kraftakt. Als Schwester Maria vom Palliativ-Pflegeteam der Sozialstation der Caritas in den Raum kommt, huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. „Na, wie geht es heute?

Dass die Schwestern des Palliativ-Pflegeteams kommen, sei sehr wichtig für sie, sagt Marion Schaarschmidt und lächelt: „Die haben mit mir ganz schön zu tun. Ohne sie käme ich ja zu Hause nicht klar.“

Die rechte Hand tut ihr heute weh. Warum weiß niemand so genau. Ein Kühlpack lindert den Schmerz. Maria Fricke wickelt eine Binde und tröstet ein bisschen.

Manchmal brauchen Angehörige mehr Zuspruch als Patienten

Das Leben hat für Marion Schaarschmidt seine Höhen und Tiefen. Vor einem Jahr traf die 58-Jährige aus Haspe die Diagnose wie ein Schlag: Gebärmutterkrebs. Im April dann die Wende: „Sie sind krebsfrei“, sagten ihr die Mediziner. Im August der Rückschlag: Ihr ganzer Körper sei voller Krebszellen, erklärten ihr die Ärzte. Was folgte, war ein Krankenhausaufenthalt, der keine Hoffnung machte. „Suchen sie sich ein Hospiz“, riet man Marion Schaarschmidt im September in der Klinik.

Die Mutter aber will dort sein, wo sie sich wohl fühlt. Zu Hause, bei ihrem Mann Michael und ihrem Sohn Mirko, bei ihren beiden Katzen Tommy und Micky, die so fröhlich durch die Wohnung toben, und bei ihren Freunden, die oft vorbeischauen, sich kümmern und gerne ein Pläuschchen halten.

Der Tod lässt sich nicht ausblenden. Aber das Leben soll lebenswert bleiben. Deshalb kommen Schwester Maria Fricke oder eine ihrer Kolleginnen zweimal am Tag. Sie wechseln Verbände, sie stellen die künstliche Ernährung sicher, dosieren die Medikamente. Aber - und das ist manchmal wichtiger - sie reden viel, sie scherzen, sie hören zu. Und sie haben Zeit. „Palliativ bedeutet dem Ursprung des Wortes nach ummanteln“, sagt Maria Fricke, „wir stehen für einen ganzheitlichen Ansatz. Pflege, medizinische aber eben auch psychosoziale Betreuung. Wir kümmern uns auch um die Familien.“ Manchmal bräuchten Angehörige mehr Zu­spruch als Patienten. Und niemals sei die Situation gleich.

Gutes Netzwerk in der Region

Jeder Tag, jeder Besuch sei anders. Darauf stellen sich die Schwestern ein. „Wir gehen raus, hin zu den Familien“, erklärt Maria Fricke, „man bewegt sich an der Grenze zum Tod und ist trotzdem mitten im prallen Leben.“ Die Schwestern kümmern sich um Patienten aus allen Schichten und aus den verschiedensten Kulturkreisen.

Dabei, und das gibt ihnen Sicherheit, sind sie gut vernetzt. Geradezu vorbildlich sei das in Hagen, Wetter und Herdecke. „Dieses Netzwerk, zu dem unter anderem vier Palliativärzte gehören, von denen einer für uns immer erreichbar ist, gibt es seit eineinhalb Jahren“, sagt Schwester Gabi Lutomski.

Schon viel länger, seit zehn Jahren, engagiert sich die Caritas im Bereich der Palliativpflege. „Anfangs“, so Gabi Lutomski, „sind wir von Arzt zu Arzt gezogen und haben erklärt, was genau wir machen.“ Hagen war eines von 14 Modellprojekten in ganz NRW, die von der Universität Bielefeld begleitet wurden. Der Bedarf ist stetig gestiegen. Seit 2008 ist das Recht auf eine spezialisierte ambulante palliative Versorgung gesetzlich verankert. Daran mitgewirkt hat vor allem der Ethikbeirat des Deutschen Bundestages, dessen Vorsitzender der Hagener René Röspel ist.

Der Tod ist fester Bestandteil des Berufs

Der Tod, so bitter das sein mag, ist für Maria Fricke, Gabi Lutomski und die anderen Schwestern fester Bestandteil des Berufs. Rituale helfen, damit klar zu kommen. Zettel mit den Namen der verstorbenen hängen auf einem Stofftuch an der Wand im Büro. Nach dem Tod führen die Schwestern noch einmal ein Gespräch mit den Angehörigen. Einmal im Jahr findet ein Gedenkgottesdienst statt.

Teil des Netzwerkes ist auch das ambulante Hospiz der Caritas. „Die Ehrenamtlichen besuchen vor allem Kranke, um die sich keine Angehörigen kümmern können oder wollen“, sagt Maria Fricke. „Sie haben manchmal einen ganz anderen Blick auf die Dinge. Das ist gut.“

Ein stationäres Hospiz gibt es in Hagen nicht. Dafür in Letmathe, in Schwerte, in Dortmund und in Lüdenscheid. „Dass ich da einmal hin muss“, sagt Marion Schaarschmidt, „das will ich nicht hoffen. Dafür bete ich.“