Hagen. .
Seit Jahrhunderten werden in katholischen Kirchengemeinden Kirchenbücher und andere Schriften geführt. Sie enthalten Eintragungen aus den verschiedenen Epochen der Kirchengeschichte.Jetzt sollen sie restauriert werden.
Die Kirchengemeinde St. Johannes-Baptist ist eine der ältesten Kirchengemeinden in Hagen. Erstmals urkundlich erwähnt wurde sie 1186, als sie zur Pfarrei erhoben wurde. Wann genau die Kirche erbaut worden ist, das ist heute nicht mehr nachvollziehbar.
Pfarrer Christoph Schneider öffnet eine von dutzenden Boxen eines massiven Eichenholzschranks im Keller des Boeler Pfarrhauses. Vergilbte Ordner und abgewetzte Einbände stehen dort aufgereiht. Auf einem der verschlissenen braunen Pergamenteinbände ist das Wort „Rosenkranzverein“ und die Jahreszahl „1769“ zu entziffern. Vorsichtig schlägt Pfarrer Schneider das Buch auf und blättert sich durch die vergilbten, porösen Seiten, die an den Rändern bereits ausfransen.
Der Rosenkranzverein von 1769
Namen, Namen und nochmals Namen sind dort vor fast 250 Jahren handschriftlich mit einem Füllfederhalter in verschnörkelter Schrift untereinander gelistet worden. So kunstvoll verziert geschrieben, dass sie kaum zu entziffern sind. Dann steht dort eine Jahreszahl und wieder Namen, Namen, Namen. „Eigentlich unspektakulär“, sagt Pfarrer Schneider, „aber dennoch spannend.“
Dem Rosenkranzverein gehörten anno 1769 und in den folgenden Jahren und Jahrzehnten offenbar Hunderte Bürger der Gemeinde Boele an. Sie hatten sich zum täglichen Rosenkranzbeten und zu einem Leben streng nach katholisch-christlicher Lehre verpflichtet. Alteingesessene Boeler Namen, die noch heute im Telefonbuch in der Gemarkung Boele zu finden sind, finden sich immer wieder auch im Buch des Rosenkranzvereins: Breddermann oder Schnettler etwa. „Boele war früher ein Dorf und ist es heute irgendwie auch noch“, sagt Pfarrer Schneider mit einem Augenzwinkern.
Vielmehr historischer statt finanzieller Wert
Hunderte solcher Dokumente lagern im Keller der Pfarrei. Sie haben vielmehr historischen und ideellen Wert als einen pekuniären. „Finanziell ist das, was hier lagert, sicherlich nicht viel wert“, sagt Pfarrer Schneider.
Ab dem 17. Jahrhundert ist die Sammlung lückenlos. Taufbücher, Auflistungen der Trauungen in der Gemeinde, Geburtsbücher, Sterbebücher, Urkundenbücher und Dokumentationen, die Aufschluss über Kauf und Verkauf kirchlicher Grundstücke geben. „Würde sich jemand eingehend hiermit beschäftigen“, ist sich der 48-Jährige Kirchenmann sicher, „käme bestimmt einiges Neues über Hagen und Boele zutage.“
Ein Großteil der Dokumente ist noch recht gut erhalten; so wie das Rosenkranzbuch von 1769 – auch wenn die Seiten vergilbt und ausgefranst sind. Manche der Bücher und Ordner drohen aber zu verfallen und damit für immer verloren zu gehen. Rostbraune Flecken am Rand der Hunderte Jahre alten Seiten etwa zeugen von beginnendem Säurefraß. „Erst kommen die Verfärbungen, dann hat man Löcher in der Seite“, weiß Pfarrer Schneider.
Sonderprogramm des Erzbischöflichen Generalvikariats
Um solche Schriftstücke zu erhalten, hat das Erzbischöfliche Generalvikariat ein Sonderprogramm eingeleitet: Pfarreien können ihre Schriften ins Erzbistumsarchiv, das unter der Leitung des Archivars Dr. Arnold Otto steht, senden, wo sie von Fachleuten geprüft werden. Ein Archivar aus Paderborn sichtete kürzlich auch die Boeler Dokumente. Etwa zehn wurden als unmittelbar gefährdet eingestuft. Die Restaurierung wird vom Erzbistum Paderborn mit 75 Prozent der Gesamtkosten bezuschusst, sofern die Gemeinden den Rest tragen.
Die meisten der etwa zehn Dokumente aus Boele, die jetzt in Paderborn untersucht werden, stammen aus dem frühen 19. Jahrhundert. Die Seiten dieser Dokumente sind in der Regel schlechter erhalten als die Schriftstücke aus dem 18. Jahrhundert und früher. „Das ist nicht ungewöhnlich“, erläutert Pfarrer Schneider, „die Papierherstellung wurde im 19. Jahrhundert von Lumpen auf Holz als Grundstoff umgestellt.“ Das ging mit einem Qualitätsverlust einher.
Diese Dokumente sind jetzt von Schimmel, Pergament- oder Säurefraß bedroht oder auch anderweitig schwer beschädigt. Die Paderborner Restauratoren begutachten derzeit die Dokumente und geben eine Kostenschätzung ab. Die Gemeinde entscheidet dann, ob sie sich den 25-prozentigen Anteil leisten kann.
Erhaltenswert sind die handschriftlichen Belege aus den vergangenen Jahrhunderten Boeler Kirchen- und Zeitgeschichte auf jeden Fall – auch ohne dass sie einen hohen finanzielle Gegenwert darstellen. „Hier lagern“, ist sich Pfarrer Schneider sicher, „einige Doktorarbeiten für Historiker.“ „Die Dokumente sind“, erläutert auch Hans Heinrich Dreier, Archivar beim Erzbistum Paderborn, „zum Teil einzigartige Quellen unter anderem für Familienforscher.“ Vor 1875 gab es zum Beispiel keine Standesämter; die Erfassung von Trauungen und Geburten oblag einzig den kirchlichen Dokumentatoren. „Wenn diese Schriften zerstört würden, wären diese Überlieferungen für immer für die Nachwelt verloren“, fürchtet Archivar Dreier.