Hagen-Mitte.

In der Hagener Innenstadt wartet eins der letzten unbebauten Grundstücke auf seine Vermarktung. Die Stadt will das Gelände verkaufen. Europaweit wollte es niemand haben, jetzt schreibt die Stadt es neu aus.

Die Fenster und Türen sind verbrettert und verrammelt, Gräser und wilde Blumen schießen zwischen dem Pflaster hervor. Ein Ramschquartier, könnte man meinen, ein Ghetto, eine Absteige für Obdachlose.

Weit gefehlt. An der Körnerstraße 54/56, unweit von Kaufmannsschule und Volmeufer, zentrumsnah und doch ruhig gelegen, wartet eines der letzten unbebauten Grundstücke in der Innenstadt auf seine Vermarktung. Die Stadt will das Gelände - nach jahrelangem juristischen und politischen Hin und Her - endlich verkaufen. „Wir möchten, dass hier ein Mehrgenerationenhaus entsteht“, so Christine Grebe, Leiterin des Fachbereichs Immobilien, Wohnen und Sonderprojekte. „Familien, alte Menschen, Singles, frei finanzierte und sozial geförderte Wohnungen - alles gut durchmischt.“

Hof von Unkraut überwuchert

So versteckt und doch exponiert das 4630 Quadratmeter große Anwesen liegt, so stiefmütterlich und dann wieder bevorzugt wurde es im Rathaus behandelt. Bevor die Stadt das Areal in den 70-er Jahren erwarb, um eine große Sporthalle zu errichten, residierte hier Baustoffe Dillenberg. Später zog der Bauhof ein, und als er wieder auszog, waren die Sporthallenpläne längst vergessen. Dass das Terrain nun vor sich hinzugammeln begann, hatte jedoch einen weiteren Grund.

Im Rechtsamt glaubte man - entsprechende Gerichtsurteile legten das nahe -, das Grundstück EU-weit zum Verkauf anbieten zu müssen. Und so erschienen die alten Bauhof-Baracken und der von Unkraut überwucherte Hof aus Hagen in den staatlichen Anzeigern aller 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Interessenten konnten sich das Angebot in estnischer und slowenischer, in griechischer und bulgarischer Sprache aus dem Internet herunterladen. 900 000 Euro, hieß es im Text, wolle die Stadt Hagen in Westfalen für die Immobilie haben. Der Käufer musste sich verpflichten, die verfallenen Gebäude abzureißen und stattdessen Sozialwohnungen zu bauen.

Nur ein Hagener Architekt hatte Interesse - aber nicht für den Preis

Die Folge: Im Rathaus meldete sich nicht ein einziger Interessent, weder aus Rumänien noch aus Malta. Lediglich ein Hagener Architekt, der dem Filet-Grundstück schon vorher Beachtung geschenkt hatte, verhandelte über einen Kauf, war aber ebenfalls nicht bereit, den verlangten Preis zu bezahlen und die Kriterien des sozialen Wohnungsbaus zu erfüllen.

Da kam der Stadt ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes gerade Recht, der entschied, dass Grundstücksverkäufe keineswegs europaweit ausgeschrieben werden müssen. Daraufhin ruderte die Verwaltung zurück, sie formulierte das Angebot neu, sie fordert jetzt einen „hohen sechsstelligen Betrag“, der Bau von Sozialwohnungen ist nur noch ein Wunsch, keine Bedingung mehr, und die Liegenschaft wird auch nicht mehr in Vilnius und Skopje zum Verkauf angeboten, sondern auf den herkömmlichen, deutschen Immobilienmärkten.

In den Verhandlungen bleiben der Stadt nun Spielräume, die sie EU-weit nicht hatte. „Wir müssen nicht unbedingt an den meistbietenden Interessenten verkaufen, sondern können uns für denjenigen mit dem besten Konzept entscheiden“, berichtet Sachbearbeiterin Beate Herms. Denjenigen, der dem Wunsch nach einem Mehrgenerationenhaus, in dem sich alte und junge Menschen gemeinsam tummeln, am ehesten entspricht.

Bis Ende August müssen die Angebote im Rathaus vorliegen. Dann hat der Stadtrat das letzte Wort.