Hagen. .

Die Fenster sind fast ausnahmslos mit Brettern vernagelt, nur im zweiten Stock des Eckhauses gibt es noch offene. Die Lampe über der Haustür hängt schief, das Glas ist gesplittert. Der Eingangsflur sieht verwüstet aus. Ein Bauzaun markiert eine Bannzone um das Haus an der Rolandstraße im Stadtteil Haspe. Ehemalige Mieter stehen vor dem Zaun. In ihren Gesichtern spiegelt sich Anspannung wider.

Erinnerungen an den 30. April werden wach. Es war nachmittags gegen 17 Uhr, als eine Gasexplosion im Keller das dreigeschossige Haus erschüttert. Das Haus der Hagener Gemeinnützige Wohnstättengenossenschaft (GWG) wurde evakuiert. Es galt als einsturzgefährdet, Feuerwehrleute befürchteten eine weitere Explosion. Acht Menschen wurden am 30. April von jetzt auf gleich heimatlos.

Heute, nach über zwei Monaten, dürfen sie erstmals zurückkehren - für zehn Minuten. Zehn Minuten, in denen sie ihre gesammelte Vergangeheit jeweils in zwei Umzugskisten packen können. Auf der abgesperrten Straße stehen die Kisten parat, doch nach einem normalen Umzug sieht das nicht aus. Die Szene wirkt eher trostlos.

Es dürfen keine Möbel gerückt werden, damit es keine Erschütterung gibt

„Kleinigkeiten, Schmuck, Erinnerungen an meinen verstorbenen Vater. . .so was wird meine Mutter mitnehmen.“ Seine Mutter wohnte im zweiten Stock rechts. „Bei ihr ist nichts passiert in der Wohnung, alles noch heile. Als die Explosion war, hat sie gedacht, sie kann wieder in die Wohnung zurück.“ Er schüttelt den Kopf, Ärger mischt sich in die Anspannung. „Warum dürfen wir erst heute rein, warum nicht früher? Das sieht man doch, dass das Haus nicht einsturzgefährdet ist. Ich habe immer wieder angefragt bei der GWG. . .“ Die letzten Worten bleiben in der Luft hängen. Unverständnis, aufgeladen von den Emotionen, die heute wieder hochkochen.

Doch Harald Szczygiol, Prokurist der gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft, hat vorher bereits erklärt: „Wir haben immer darauf gehofft, dass die Mieter noch mal in die Wohnungen können. Wir mussten allerdings zwingend die statischen Untersuchungen abwarten.“ Die Statiker, die die Wohnungen mit Kameras untersucht hatten, gaben letztlich grünes Licht - allerdings mit Einschränkungen. „Es darf jeweils nur ein Mieter zusammen mit einem unserer Mitarbeiter rein, und nur für kurze Zeit. Es dürfen keine Möbel gerückt werden, damit es keine Erschütterungen gibt.“ Die Explosion hat tragende Gebäudeteile beschädigt.

Alle Familien haben eine neue Bleibe gefunden

Montag hat Lars Tauer, Verwalter bei der Wohnungsgesellschaft, die betroffenen Mieter persönlich informiert. Sprachlich war das nicht ganz einfach, das Quartier ist geprägt von einem hohen Migrantenanteil. Die meisten Familien in dem Explosionshaus sind türkischer Abstammung. „Ich finde es sehr bedauerlich, dass man wenig persönliche Worte an sie richten kann.“ Dennoch waren alle froh, einige persönliche Sachen aus dem Haus holen zu können.

Aus dem Fenster im zweiten Stock fliegt plötzlich eine Wolldecke, eine bezogene Bettdecke folgt. Mehrere vollgestopfte Tüten, ein Bündel aus einer Tischdecke und eine prall gefüllte Reisetasche schlagen auf der Straße auf.

„Die Ursache für die Explosion ist weiterhin unklar“, sagt Szczygiol in dem Moment. Für das Haus liegt mittlerweile eine Abrissgenehmigung vor. „Der muss aber zart und vorsichtig“ erfolgen“, sagt Szczygiol. An das Eckhaus in Hagen-Haspe schließen sich zu beiden Seiten weitere Häuser an. Auch sie waren am 30. April evakuiert worden. Mehrere Menschen waren verletzt worden.

Inzwischen haben alle sechs betroffenen Familien eine neue Bleibe gefunden. Der Großteil ist bei der GWG geblieben. Der Mieter aus dem Erdgeschoss, dessen Wohnung am stärksten betroffen war, ist zu seiner Freundin gezogen. Dort hielt er sich auch auf, als sich die Explosion ereignete. „Seine Wohnung ist quasi verbrannt“, sagt Lars Tauer von der GWG. Glück im Unglück. Er ist als einziger heute morgen nicht vor Ort in Haspe. Er hat nichts mehr, was er aus seiner Vergangenheit retten kann.