Hagen.

Am 15. März 1910 war das Maß für die Arbeiter der Firma Dieckerhoff in Gevelsberg voll. 24 Former der Gießerei legten ihre Werkzeuge aus der Hand und die Arbeit nieder. Sie forderten mehr Lohn. Das hatte Folgen, die bis nach Hagen reichten. Wochenlang blickte die preußische Gesellschaft in die Region. Der Arbeitskampf wurde zur Machtprobe, am 1. Juli 1910 waren 20 000 Arbeiter ausgesperrt.

„Der Streik zog schnell Kreise, rief eine unglaubliche Welle der Solidarität hervor, die von Betrieb zu Betrieb schwappte.“ Rainer Stöcker vom Hagener Geschichtsverein hat mit Unterstützung des DGB und der Volkshochschule 75 Seiten über den Streik vor 100 Jahren zusammengetragen: „Keiner wollt' sich ducken“. Der Titel steht sinnbildlich für die verhärteten Fronten auf beiden Seiten: Der Metallarbeiterverband setzte eine Streikbewegung in Gange, der Arbeitgeberverband reagierte mit Ultimaten und Aussperrungen.

Für das Heft klapperte Rainer Stöcker die Archive in der Gegend ab. In Ennepetal stöberte er eine detaillierte Auflistung darüber auf, wie viele Arbeiter und Betriebe streikten. „In diese Akte hatte noch niemand reingeguckt“, ist sich der Autor sicher. „Das Archiv wusste gar nicht um die Unterlagen.“ Bloß ein paar Zahlen. . .für Stöcker indes viel mehr. „Es gibt leider nur wenige Originaldokumente aus der Zeit.“

Nach 17 Wochen Streik zeigten sich Auswirkungen auf den Handel

Wie den Brief des Unternehmers Rudolf Rentrup aus Ennepetal-Milspe, der im penibelsten Sütterlin am 10. Mai 1910 Polizeischutz anfordert. „Der preußische Staatsapparat folgte der Aufforderung gern“, analysiert Stöcker den gesellschaftspolitischen Aspekt des damaligen Kampfes, der sich zum Kampf zwischen Klassen entwickelte.

Nach 17 Wochen Streik zeigten sich erste Auswirkungen auf den Handel: Gebrüder Scherfig schalteten eine Anzeige für Räumungsverkauf. „Die Arbeiter waren von einem hohen Lohnverlust betroffen. Viele konnten gar nichts mehr kaufen, denn sie waren nicht organisiert.“

Kein glückliches Ende

Trotz aller Härte an der Streikfront endete der Kampf nicht mit einem glücklichen Ende. Schlussendlich führten die Arbeitgeber den sogenannten Arbeitsnachweis ein, eine Stelle für Arbeitsvermittlung, dominiert von den Arbeitgebern. Dagegen versuchten sich Arbeiter zu wehren.

„Zwar war der Streik kein Erfolg“, zieht Stöcker Bilanz, „aber auch keine Niederlage.“ Das Bild der Unternehmer in der Öffentlichkeit habe stark durch deren unnachgiebige Haltung gelitten. Die Gewerkschaften verzeichneten einen enormen Zulauf, das Selbstbewusstsein der Arbeiterschaft war erstarkt. „Rosa Luxemburg persönlich würdigte den Kampf der Arbeiter als mustergültig“, so Stöcker.

In einem Vortrag stellt Rainer Stöcker morgen, 8. Juli, ab 19 Uhr im Kulturzentrum Pelmke das Geschichtsheft (5,90 Euro) vor.