Hagen. Eine Hagener Erzieherin soll im Sommer einen vierjährigen Jungen geohrfeigt haben. Die Erzieherin erhielt die fristlose Kündigung. Doch nun hat das Gericht die Kindertagesstätte verurteilt. Die fristlose Entlassung wurde in eine fristgerechte Kündigung umgewandelt.
Was geschah genau in der Kindertagesstätte „Tigerente” an der Grabenstraße? Es heißt, eine Erzieherin (47) habe dort einen kleinen Jungen (4) geschlagen. Sie wurde dafür fristlos entlassen.
Doch warum spielen die beiden Vorstandsmitglieder der Elterninitiative, Dirk Gautzsch (48) und Eren Erkal (36), vor dem Arbeitsgericht nicht mit offenen Karten?
Der kleine Denis (Name geändert) ist ein sehr schwieriges Kind. Der Vierjährige wird als „verhaltensauffällig” und mit „starken Aggressionsschüben” beschrieben. Man könnte es noch deutlicher sagen: Wenn der Junge seinen Willen nicht bekommt, geht er voll Wut auf seine Spielfreunde los - und sogar auch auf die Erzieherinnen.
Folgenschwerer Zwischenfall
Am 22. Juni kam es auf dem Tigerente-Spielgelände zu einem folgenreichen Zwischenfall. Erzieherin E. und eine Praktikantin waren mit einer Gruppe Kinder draußen. Bis zu 15 „kleine Racker” sollen an der frischen Luft getobt haben. Darunter auch Denis, der an diesem Tag mal wieder besonders streitsüchtig war: „Den ganzen Tag gab es Beschwerden über ihn von anderen Kindern. Auch mit Tränen”, berichtet die Erzieherin.
Beim Zank um ein Spielzeug geriet Denis schließlich mit einem Spielkameraden aneinander. Die Jungen stritten um einen Bagger und ein kleines Motorrad. In die Handgreiflichkeiten schaltete sich Erzieherin E. ein. Ihr Schlichtungsversuch, beiden Kindern die Spielzeuge wegzunehmen und sie gegeneinander auszutauschen, scheiterte völlig.
Mit Bagger beworfen
Klein-Denis steigerte sich in Rage. Er bewarf die Erzieherin mit dem Bagger, trat wild um sich, auch in ihren Bauch, schlug ihr die Brille von der Nase, beschimpfte sie als „Arschloch”. Die Pädagogin gab dem Vierjährigen spontan eine Backpfeife, nennt es einen „Abwehrreflex im Affekt”.
Der Vorstand des Tigerente-Vereins spricht hingegen von „zwei willentlichen, zielgerichteten Ohrfeigen”, die die Erzieherin zunächst noch „als das richtige Mittel” verteidigt habe. Allein schon das Austauschen der Spielzeuge wäre „im Ansatz pädagogisch verfehlt gewesen”, so Elternvorstandsvorsitzender Dirk Gautzsch.
Anzeige vier Wochen nach Vorfall
Erzieherin E. erhielt die fristlose Kündigung und wurde, fast vier Wochen später, wegen Körperverletzung angezeigt. Die Wange ihres Kindes sei „leicht gerötet” gewesen, so die Mutter, die übrigens selbst als Pädagogin in der Tagesstätte arbeitet: Frau K. ist die Gruppenleiterin der großen „Tiger”.
Die Umwandlung der fristlosen in eine fristgerechte Kündigung, wie von der gefeuerten Erzieherin vor dem Arbeitsgericht eingeklagt und wie von der Kammer dringend empfohlen, lehnte der Vereinsvorstand rigoros ab: „Unsere Einrichtung hat einen guten Ruf”, betonte Gautzsch, „deshalb wollen wir nicht, dass erzählt wird, das bei uns Kinder geschlagen werden.”
Fristlose Entlassung unwirksam
So wurde die „Tigerente” schließlich verurteilt, die fristlose Entlassung für unwirksam erklärt und in eine fristgerechte Kündigung umgewandelt. Der Erzieherin, die bis dahin gut zwei Jahre beanstandungslos gearbeitet hatte, müssen fünf Wochengehälter nachgezahlt werden. „Wir drei Richter sind alle selbst Eltern”, erklärte die Kammervorsitzende Renate Schreckling-Kreuz, „und wir mussten hier die Interessen abwägen. Ein Kind zu ohrfeigen, ist grundsätzlich ein Kündigungsgrund, doch hier war auch ein tätlicher Angriff vorausgegangen.”
Für das Gericht sah es danach aus, als wollte der Tigerente-Vorstand die Kammer austricksen. Wurde doch zunächst falsch behauptet, Denis sei unauffällig gewesen. Erst auf beharrliches Nachfragen der Richterin kam die Wahrheit heraus: Sogar ein Kinderpsychologe war schon in der Einrichtung gewesen, hatte das aggressive Kind einen Vormittag lang beobachtet und einen genauen Bericht verfasst.
„Ich habe das am Rande gehört”, wand sich Vorstand Gautzsch heraus. Dennoch habe die Einrichtung nichts zum Schutz ihrer Erzieherinnen unternommen, bemängelte die Kammer im Urteil.