Hagen. Nach Industriebetrieben und Straßen in Hagen widmet sich Liselotte Funcke in ihrem neuen Buch dem heimischen Einzelhandel. Doch nimmt Hagens Ehrenbürgerin nicht den Wandel im Handel oder den Trend zur Filialisierung ins Visier, sondern Geschäfte von anno dazumal.

„Wo unsere Großeltern einkauften”, lautet der Titel des 246-seitigen, mit historischen Abbildungen versehenen Buches, das die 91-Jährige jetzt herausgebracht hat.

„Traditionell ist der Einzelhandel in Frauenhand, und das nicht nur bei den ,Tante-Emma-Läden'”, sagt Liselotte Funcke - FDP-Politikerin, Ex-Vizepräsidentin des Bundestages, NRW-Ministerin und Ausländerbeauftragte der Bundesregierung. Überwiegend seien es Frauen, die im Verkauf, an der Kasse oder in der Verwaltung tätig seien und den Kontakt zur Kundschaft pflegten. Ein Grund für die Autorin, die sich ihr Leben lang rund um das Thema „Frauen in der Gesellschaft” engagiert hat, den frühen Einzelhandel zu untersuchen.

Einzelhandel prägt Stadtbild

Ein weiterer Grund: Bei der Beschäftigung mit der Hagener Wirtschaft vor einigen Jahren sei ihr aufgefallen, erinnert sich Frau Funcke, dass in den heimatkundlichen Schriften Einzelhandelsbetriebe fast gar nicht vorkämen, „dabei prägen doch gerade sie das Erscheinungsbild einer Stadt und die Freizeitgestaltung der Bevölkerung”. Offenbar sei das Alltagsgeschehen für die meisten Forscher so selbstverständlich, dass es darüber nichts zu forschen gab.

„Ich habe jene Geschäfte erfasst, die bis 1925 gegründet wurden”, erläutert Frau Funcke ihre Recherche. „Die Ermittlung der Daten war nicht leicht, viele Unterlagen gingen im Krieg oder bei Geschäftsübergaben verloren. Die Auflistung ist nicht repräsentativ.”

82 Unternehmen erfasst

Von den erfassten 82 Unternehmen bestehen heute noch 29, davon rund die Hälfte in den Händen der Gründerfamilie, wie das Pelz- und Modegeschäft Wolff 1782 an der Elberfelder Straße 32 und die 1878 gegründete Fleischerei Schnettler in Boele. 57 der beschriebenen Geschäfte lagen oder liegen in der Innenstadt, zehn in Haspe wie das 1919 gegründete Autohaus Jürgens an der Berliner Straße 41, sechs in Hohenlimburg und neun in anderen Stadtteilen.

Die Texte - die Geschäfte sind alphabetisch nach den Nachnamen des Gründers oder Inhabers geordnet - enthalten Angaben über die Gründungszeit und Anekdoten aus Verkaufsraum, Lager oder Küche. Über mutige unternehmerische Entscheidungen wird ebenso berichtet wie über traurige Konkurse.

Beim Durchblättern bleiben Aha-Effekte nicht aus; viele Geschäftsnamen sind dem Leser in Erinnerung - wie z. B. Spielwaren Helmert, Kindermoden Geschwister Müller, Herrenmode Keudel, Kaufhaus Kornblum, Bürobedarf Quitmann, Feinkost Scherney, Cafe´ Dreisbach und Cafe Tigges.

Zwei Jahre Arbeit

Zwei Jahre lang hat Liselotte Funcke an ihrem Buch (erschienen im Ardenku-Verlag) gearbeitet, ist Adressbücher durchgegangen, hat in Archiven gestöbert, mit Enkeln von Gründern gesprochen. Pläne für ein neues Buch hat die rüstige Dame nicht, doch, so betont sie, sei sie dankbar für weitere Informationen über den frühen Einzelhandel in Hagen, „vielleicht für eine spätere erweiterte Ausgabe”.