Hagen. Bis 2013 greift der gesetzliche Anspruch auf einen Kindertagesstätten-Platz für die unter Dreijährigen. Halten Sie die Umsetzung für realistisch? Wie stellen Sie sich die vorschulische Kinderbetreuungssituation bis 2015 vor? Kandidaten der Wahlkreise 103 und 104 antworten.

Wahlkreis 103 Hagen-Mitte/Hagen-Nord/Hohenlimburg

Heinz-Dieter Kohaupt (CDU)

In Stichpunkten: 2005 - Übernahme durch die CDU/FDP-Regierung - 11.800 Betreuungsplätze für unter dreijährige Kinder. 2010 - 112.500 U3-Plätze, also eine Verzehnfachung des Angebotes und damit alle von den Kommunen gemeldeten Bedarfe erfüllt. Mit den Familienzentren haben wir eine innovative Vernetzung von Kompetenzen realisiert. Rund 2.000 Familienzentren machen deutlich: Immer mehr Familien erfahren Hilfe und Beratung vor Ort. Dank einer gesetzlichen Verankerung der Sprachförderung werden mehr Kinder als je zuvor mit zusätzlichen Maßnahmen in der deutschen Sprache gefördert. Wir haben erreicht, dass die Zahl der Kinder mit Behinderung, die in den Kindertageseinrichtungen betreut werden, stetig zunimmt. Diese positive Entwicklung ist die Folge einer Verankerung im Kinderbildungsgesetz (KiBiz). In diesem Bereich wird alles getan, um den Kommunen unter die Arme zu greifen.

Wolfgang Jörg (SPD)

Als kinder- und familienpolitischer Sprecher weiß ich, dass der gesetzliche Anspruch ab 2013 nicht realisiert werden kann. Die CDU/FDP-geführte Landesregierung hat die Weichen falsch gestellt. Zwei Drittel der Ausbaukosten bleiben an den Kommunen hängen. Das können sich nur die Wenigsten leisten. Gewährsträger für dieses Gesetz sind allerdings die Kommunen. Wenn Eltern ab 2013 klagen, muss die Stadt die Plätze schaffen. Weitere Belastungen in Millionenhöhe kämen auf uns zu. Wir brauchen finanzielle Anreize für die Kommunen, den Ausbau zu beschleunigen. Dann könnten wir das Ziel bis 2015 schaffen. Außerdem sollten bis 2015 die Kita-Beiträge für Eltern abgeschafft werden. Kitas sind Bildungseinrichtungen wie Schulen.

Uli Alda (FDP)

Zunächst haben wir mit der jetzigen Regierung erstmals seit Bestehen das Landes richtige Reformen im Bereich der Kindergärten eingeleitet. Dies betrifft Flexibilität der Einrichtungen, Kundenorientierung zu den Eltern, Qualifizierung des Personals, etc. Dass bei so großen Reformen nicht alles von Anfang an richtig läuft, liegt in der Natur der Sache. Statt hier Widerstand zu leisten imSinne von „bloß nichts verändern”, ist es Sache der Führungskräfte, sowohl bei den Anbietern generell als auch in den einzelnen Kindergärten hier die Chancen, die seit 2008 geboten werden, sinnvoll zu nutzen. Unter diesem Gesamtkontext halte ich die Umsetzung für realistisch, Korrekturbedarf, der sich in der Praxis sicher ergeben wird, sollte partnerschaftlich und sachlich an die Organe in Düsseldorf herangetragen werden, um sachorientierte Verbesserungen einfließen zu lassen.

Jürgen Klippert (Grüne)

Wenn die Staatsquote in Deutschland auf Höhe skandinavischer Länder läge, müsste man über ein solches Thema überhaupt nicht diskutieren. Mit der entsprechenden gerechten Steuerpolitik sehe ich überhaupt kein Problem, die Kita-Situation und die gesamte vorschulische Kinderbetreuung so auszustatten, dass für jedes Kind ein Platz sowohl in einer Kita als auch im Kindergarten sicher ist. Wer daran zweifelt, sollte neben die berüchtigte Schuldenuhr des Bundes der Steuerzahler einfach mal die Uhr der privaten Vermögen stellen. Das öffnet vielleicht die Augen. Es gilt nämlich immer noch: Nur die Reichen können sich einen armen Staat leisten. Der derzeitige arme Staat ist allein ein Ergebnis verantwortungsloser ideologisch gesteuerter Politik, die gegen die Interessen der überwältigenden Mehrheit im Land stattfindet.

Hamide Akbayir (DieLinke)

In der Kinder-, Jugend- und Familienpolitik des Landes liegen Welten zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Jahrelange Mittelkürzungen, wie zuletzt beim Landesjugendplan und durch das KiBiz, sowie der Abbau von Qualitätsstandards verschärfen die Probleme der jüngeren Generation. Eine neue Landesregierung muss daher im erheblichen Maße die Kinder-, Jugend- und Familienpolitik insbesondere auch finanziell stärken und unsinnige Gesetze wie das KiBiz-Gesetz rückgängig machen.

Wahlkreis 104 Hagen-Haspe/Hagen-Süd/Breckerfeld/Ennepetal/Gevelsberg

Jens Knüppel (CDU)

Wir müssen sicherstellen, dass jede Familie, die einen Platz benötigt, diesen auch bekommt, da in vielen Familien die Berufstätigkeit beider Ehepartner notwendig ist bzw. Alleinerziehende keine andere Möglichkeit haben. Dies darf aber nie zur Pflicht werden, wie es in anderen Parteien angedacht wird. Hierbei ist ganz intensiv die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft gefragt, um Angebote zu schaffen. Aber auch hier gilt: Das Land muss sich auch weiterhin an der Finanzierung zum großen Teil beteiligen. In den letzten fünf Jahren haben wir aber vor allem in diesem Bereich die Vorzeigerolle in der Bundesrepublik übernommen.

Hubertus Kramer (SPD)

Ziel muss in Hagen eine Betreuungsquote von 32 Prozent der Betreuungsplätze für unter Dreijährige bleiben. Die Stadt hat dies ja auch in ihrem Leitbild als zentralen Bestandteil der Kinder- und Jugendpolitik definiert. Um dies zu erreichen, muss eine Bedarfsplanung erfolgen, die auch die Umwandlung von wegfallenden Kita-Plätzen aufgrund der demografischen Entwicklung berücksichtigt. Für die baulichen Veränderungen bedarf es einer Aufstockung der Mittel von Bund und Land. Zudem darf die Höhe der Elternbeiträge nicht von der Haushaltssituation der jeweiligen Kommune abhängen. Kinder haben ein Recht auf Bildung von der Geburt an, ohne Rücksicht auf den Geldbeutel ihrer Eltern. Deshalb steht die SPD für die schrittweise Einführung der Gebührenfreiheit für die Betreuung in Kindertageseinrichtungen.

Philipp J. Beckmann (FDP)

In der letzten Periode haben wir 100 000 neue Betreuungsplätze geschaffen. Ich denke, dass wir auf dem richtigen Weg sind und diesen Weg konsequent weitergehen müssen.

Justus Koch (Grüne)

Der Ausbau der Plätze für die U3-Betreuung auf die geforderten 35 Prozent eines Jahrgangs bis zum Jahre 2013 ist keine Frage des Wollens oder Nicht-Wollens. Es ist eine der zentralen Zukunftsfragen unseres Landes. Als junger Mensch, der darüber nachdenkt, einmal Kinder in die Welt zu setzten, sind die derzeitigen Zustände unhaltbar. Darum darf dieses elementar wichtige Projekt nicht an Finanzierungsfragen scheitern - oder noch schlimmer: in reichen Kommunen gibt es Plätze, in Pleite-Kommunen gibt keine. Soll das Ziel erreicht werden, wird es zwingend notwendig sein, dass das Land die Finanzierung mit trägt. 2015 möchte ich mein Kind in eine KiTa abgeben können, die es als Lern- und Lebensort wahrnimmt, in der es von Frauen und Männern erzogen wird, Spielkameraden aus aller Herren Länder hat und das Rüstzeug für ein guten Schulstart bekommt.

Karlheinz Berger-Frerich (DieLinke)

In der Kinder-, Jugend- und Familienpolitik des Landes liegen Welten zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Jahrelange Mittelkürzungen, wie zuletzt beim Landesjugendplan und durch das KiBiz, sowie der Abbau von Qualitätsstandards verschärfen die Probleme der jüngeren Generation. Eine neue Landesregierung muss daher im erheblichen Maße die Kinder-, Jugend- und Familienpolitik insbesondere auch finanziell stärken und unsinnige Gesetze wie das KiBiz-Gesetz rückgängig machen.