Hagen. Der "Sina-Prozess" ging am Montag vor dem Hagener Landgericht in die nächste Runde. Angeklagt sind Sinas Mutter und deren Lebensgefährte wegen Misshandlung Schutzbefohlener. Da die 17-jährige Sina tot ist, sagte Richterin Ulrike Radke-Schäfer aus. Sie hatte Sina im Herbst vernommen.

Ulrike Radke-Schäfer (44) hat Gerichts-Routine. Sie ist Amtsrichterin. Gestern war die taffe Juristin allerdings „ein wenig nervös” - das lag an einem einmaligen Rollentausch: Sie musste als wichtige Zeugin im „Sina-Prozess” aussagen. Vor dem Landgericht sind (wie berichtet) seit Wochen Maike P. (38) und ihr Lebensgefährte Ralf J. (42) der schweren Misshandlung von Schutzbefohlenen angeklagt. Sie bestreiten alles. Tochter Sina selbst kann nicht mehr befragt werden, die 17-Jährige ist tot.

Sina schilderte der Richterin die Misshandlungen

Als Richterin hatte Ulrike Radke-Schäfer im Herbst letzten Jahres das junge Mädchen noch vernommen. Sie kann sich eindrucksvoll daran erinnern, was das Opfer ihr damals unter Tränen anvertraute: „Bevor ich ins erste Schuljahr kam, musste ich nachts ohne Bettzeug in einer kleinen Duschkabine schlafen. Oder in einem dunklen Werkzeugkeller. Dort war es sehr schmutzig.”

Über die zahlreichen Misshandlungen gab Sina seinerzeit zu Protokoll: „Ich wurde von Mama mit einer Reitgerte, mit Hosenträgern oder Kochlöffeln geschlagen.” Und: „Zerbrach mal ein Holzkochlöffel durch die Wucht der starken Schläge, wurde einfach ein neuer gekauft.”

Mädchen übel gequält

Auch Mitangeklagter Ralf J. soll das Mädchen übel gequält haben, weiß die Richterin. Dazu hatte Sina ihr berichtet: „Er nahm meinen Kopf, schlug ihn auf die Türklinke. Solange, bis ich im Gesicht blutete. Meine Brille war ganz verbogen.”

Einmal, als das Kind von seinem Taschengeld der Mutter ein Geburtstagsgeschenk gekauft hatte, warf Maike P. das Präsent unausgepackt gegen die Wand, bis es zerbrach.

Tagebuch des Grauens

Ihre schlimmen Erlebnisse hat Sina in einem rot-weißen Briefbuch aufgeschrieben. Die Aufzeichnungen sind ein Tagebuch des Grauens. Sie wurden von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt und sollen im Laufe des Verfahrens vorgelesen werden.

Ob Sinas damalige Aussage glaubhaft schien? Richterin Radke-Schäfer: „Absolut. Für uns war das auch nicht die behauptete große Verschwörung gegen die beiden Angeklagten. Dann hätten sich die Zeugen viel besser abgesprochen.” „Wir als Gericht haben Sina alles voll geglaubt. Das denkt sich keiner so einfach aus.”