Hagen. Jeder Mord hat eigene Facetten: Mit einer Pistole erschießen. Mit einem Messer totstechen. Mit einem vergifteten Cappuccino umbringen. Doch die Variante, die seit gestern vor dem Schwurgericht als Mordversuch verhandelt wird, ist ungewöhnlich.

Martina L. (43) soll ihrem schwer krebskranken Lebensgefährten, der durch eine Magensonde künstlich ernährt werden musste, über den Nahrungsbeutel Brennspiritus und Klebstoff eingeflößt haben. „Um ihn heimtückisch zu töten”, sagt Staatsanwalt Hans Peter Bramsiepe. Die kleine Frau mit dem Fransenpony winkt ab: „Ich wollte ihn nur schädigen”, meldet sie sich forsch aus der Anklagebank zu Wort, „aber nicht töten. Er sollte einen Denkzettel bekommen.”

Was geschah in den Nacht zum 7. April letzten Jahres? Martina L. und Frank U. (49) hatten sich vor drei Jahren in einer Kneipe kennengelernt. „Er war mir sehr sympathisch und ich ihm wohl auch.” Schon ein halbes Jahr später zog sie in seine große Wohnung an der Hochstraße ein: „Da war es noch Liebe.”

Doch die beiden waren ein ungleiches Paar. Er wurde schwer krank, Speiseröhrenkrebs, musste mit Chemotherapie behandelt werden. Nahrung konnte er nur flüssig über eine Magensonde aufnehmen. Sie griff regelmäßig zur Flasche. Eine jahrelange Alkoholikerin, die täglich Wodka-Pullen leerte und aggressiv wurde. Wie am Tattag. Da hatte sie knapp drei Promille Alkohol im Blut und war rasend eifersüchtig, weil er mit Frauengeschichten prahlte.

Nach Mitternacht legte sich Frank U. schlafen. Das Gestell mit dem Nahrungsbeutel stand neben dem Bett und versorgte ihn mit der lebensnotwendigen Flüssigkeit. Da entwickelte Martina L. ihren tödlichen Plan. Sie kippte heimlich eine Flasche Brennspiritus in den Beutel. Danach drückte sie noch vorsichtig den Inhalt einer Tube Uhu-Alleskleber in die Infusionsleitung ein. „Damit das verstopft”, gesteht sie offenherzig im Schwurgerichtssaal.

Die Angeklagte, die unter Betreuung steht und aufgrund ihrer Promillezahl zur Tatzeit wohl als erheblich vermindert schuldfähig eingestuft wird, beteuert: „Ich wollte ihn nicht töten, ich wollte nur, dass sich sein Blutbild verschlechtert.” Richter Dr. Frank Schreiber zeigt sich gründlich vorbereitet: „Ihr Lebensgefährte war Ihre ewige Trinkerei und die ständigen Streitereien leid. Er wollte sich von Ihnen trennen, hatte bereits eine kleinere Wohnung angemietet.”

Frank U. überlebte den Mordangriff völlig unversehrt. Er wurde wach, entdeckte den merkwürdig verfärbten Nahrungsbeutel. Drei Monate später starb er jedoch an den Folgen seiner schweren Krebserkrankung. Der Prozess wird morgen fortgesetzt.