Hagen. Es war Oberbürgermeister Jörg Dehm, der am Donnerstag Vormittag zusammenfasste, was wohl alle Gäste bei der offiziellen Eröffnung der Hagener Kinderschutzambulanz empfunden haben: „So erfreulich diese Eröffnung heute ist, so traurig ist es auch, dass es so etwas geben muss.”

Am 4. Januar dieses Jahres hatte die Kinderschutzambulanz in der Bergstraße 121 ihre Arbeit aufgenommen. Am Donnerstag fand die offizielle Einweihung statt.

Gewalt gegen Kinder, physischer oder psychischer Missbrauch, Vernachlässigung, sexuelle Übergriffe — es ist der Blick auf menschliche Abgründe, der diese Kinderschutzambulanz notwendig macht. Deutschlandweit werden jedes Jahr laut Bundeskriminalamt allein etwa 16.000 Kinder sexuell missbraucht. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen. Das Hagener Jugendamt hat in den vergangenen drei Jahren zwischen 170 und 300 Meldungen über Gewalt gegen Kinder erhalten.

Ziel: schneller Hilfe leisten können

Die Kinderschutzambulanz, die unter der Trägerschaft des Diakonischen Werkes steht, geht im Auftrag des Jugendamtes solchen Verdachtsfällen nach. Eine Psychologin und eine Sozialarbeiterin testen und diagnostizieren die Kinder und geben dann Handlungsempfehlungen an das Hagener Jugendamt weiter. Dort wird schließlich über Maßnahmen entschieden, die von ambulanten Erziehungshilfen bis zur Wegnahme der Kinder aus der Obhut der Eltern reichen kann. Die Kinderschutzambulanz schließt eine Lücke im Hilfskatalog und soll dazu beitragen, dass misshandelte oder vernachlässigte Kinder künftig schneller und zielgerichteter Hilfe erwarten können.

Paragraf 8a SGB VIII

Grundlage für ein rechtlich und fachlich richtiges Verhalten bei dem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung ist der 2005 in Kraft getretene Paragraf 8a SGB VIII. Durch Vereinbarungen des Jugendamtes mit Schulen, Kindergärten und Jugendhilfeträgern wurden in Hagen die entsprechenden Stellen sensibilisiert, auf Anzeichen von Kindeswohlgefährdung zu reagieren. „Die Bürger sind sensibler geworden, wenn es um den Verdacht geht, dass Kinder vernachlässigt, geschlagen oder sexuell missbraucht werden”, sagt Christian Goebels, Leiter des Jugendamtes. Zwei Drittel aller Verdachtsmeldungen, sagt Goebels, kommen von Schulen oder Kindergärten; ein Drittel aus der Nachbarschaft oder anderen Bürgern: „Ein Drittel aller Meldungen, die wir bekommen, betreffen Kinder unter sechs Jahren. Das finde ich erschreckend”.

Die Hagener Kinderschutzambulanz soll jetzt dazu beitragen, dass möglichst schnell klar wird, welche Maßnahme zum Schutz der Kinder getroffen werden, mit dem Ziel ein Trauma erst gar nicht entstehen zu lassen oder bereits im Keim zu ersticken. „Die Kinder öffnen sich hier sehr schnell. Das hat mich überrascht”, erzählt die Leiterin der Kinderschutzambulanz, Heide Alscher, aus den Anfangswochen der Arbeit vor Ort. Die Zusammenarbeit mit dem Hagener Jugendamt, das weiterhin die Verantwortung für sämtliche Fälle trägt, laufe reibungslos.

Nicht weggucken

„Hinschauen, nicht weggucken”, war die Botschaft, die der Geschäftsführer des Diakonischen Werks, Thomas Haensel, bei der Eröffnung noch an die Hagener Bürger hatte. Sämtliche Hilfseinrichtungen vom Jugendamt über den Kinderschutzbund bis zur neuen Hagener Kinderschutzambulanz sind schließlich darauf angewiesen, dass sie Hinweise bekommen, um Hilfe für die Kinder in die Wege leiten zu können.