Hagen. Wer kein Geld für die Beerdigung eines Angehörigen hat, wendet sich ans Sozialamt. Dann prüft das. Und prüft. Und prüft. So lange liegt der Verstorbene auf Eis. Manchmal wochenlang. In Hagen kommen solche Fälle bis zu 140 Mal im Jahr vor.

Hintergrund ist die Abschaffung des Sterbegeldes der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2004. Nun sind die „bestattungspflichtigen Angehörigen”, vor allem Kinder und Ehepartner, in der Pflicht. Oder die Kommunen - falls die Verwandten nicht bezahlen können oder es keine Angehörigen gibt. In zweiten Fall ist die Lage klar: Das Ordnungsamt ist für die Beerdigung zuständig. In Hagen kommt das 120 bis 140 Mal im Jahr vor. Tendenz steigend. Vor 2004 waren es 25 Fälle.

Eine traurige Angelegenheit

Schwieriger ist der Fall, wenn Angehörige vorhanden sind, aber kein Geld. „Wir helfen Angehörigen dabei, den Antrag ans Sozialamt zu stellen”, sagt der Hagener Bestatter Friedrich Schweizer. „Aber die Entscheidung kann dauern. Das ist eine traurige Angelegenheit.” Für den Verwandten, der ohnehin in einer schwierigen Lage ist. Aber auch für den Unternehmer. Der könnte einfach abwarten. Dann müsste das Ordnungsamt eingreifen, denn nach acht Tagen besteht Bestattungspflicht. Aber meist kommt es nicht so weit. Zehn solcher Fälle hat Ralph Büttner, der zuständige Mann im Hagener Rathaus, pro Jahr.

Bei minus 20 Grad auf Eis

Meist einigen sich Bestatter, Angehörige und Sozialamt. Irgendwie. Und öfter zu Lasten der Bestatter. Dieter Mirbach, der dem Bestatterverband Aachen vorsitzt, hat im Auftrag des Landesverbandes deshalb eine Petition an den Landtag gerichtet. Denn derzeit, so Mirbach, „stellt der Bestatter einen zinslosen Kredit zur Verfügung, bis er nach Monaten sein Geld bekommt - oder auch nicht”. „Wir können nicht von unbezahlten Rechnungen leben”, sagt auch Schweizer. Deshalb ist er vorsichtig, kann aber das Gespräch mit Trauernden auch nicht mit der Frage beginnen: „Wer zahlt denn?” Mirbach berichtet von Kollegen, die sagten: „Bis das Amt entschieden hat, bleibt der Verstorbene auf Eis liegen.” Bei minus 20 Grad. Im Extremfall bis zu einem halben Jahr.

Sensibilität und Pietät

Aber Mirbach legt Wert darauf, dass es seinem Verband nicht in erster Linie ums Geld gehe: „Es ist empörend, wie die Behörden mit Angehörigen umgehen.” Diesen Vorwurf weist Peter Fiedler, Abteilungsleiter im Fachbereich Jugend und Soziales bei der Stadt Hagen, zurück. Man zeige durchaus Sensibilität und Pietät. „Aber es gibt eben auch die rechtliche Komponente: Wir müssen jeden Anspruch prüfen.” Und dann gibt es noch eine finanzielle Komponente. Die Kommunen sind klamm. Und die Zahl der Anträge auf Übernahme der Beerdigungskosten steigt.

Vorauskasse?

Es gäbe ja Möglichkeiten, die Sozialfälle ohne diesen Zusatz-Stress für Trauernde zu regeln: Das Sozialamt könnte in Vorleistung treten und sich das Geld wieder zurückholen, falls sich bei der Prüfung herausstellt, dass der Hinterbliebene doch keinen Anspruch hatte. „Das wäre eine sinnvolle Lösung”, sagt Alexander Hellbach, Sprecher von Aeternitas, der Verbraucher-Initiative für Bestattungskultur. In Hamburg oder München wird das so praktiziert. In NRW nirgends. Einen Grund dafür nennt Peter Fiedler: „Bei einer Vorfinanzierung könnten wir der Anträge nicht mehr Herr werden.” Derzeit sind es 100 bis 200 pro Jahr.

Die Grevenbroicher Methode

Es gibt immer mehr Menschen, denen das Geld für eine Beerdigung fehlt. Das beobachtet Bestatter Schweizer. Doch die Städte müssen ebenfalls sparen. Grevenbroich bringt die Toten, für deren Bestattung die niederrheinische Kommune aufkommen muss, ins Krematorium nach Rheinland-Pfalz und lässt die Urnen in Hessen beisetzen. So hat man in drei Jahren 39 000 Euro gespart. Der Städte- und Gemeindebund findet daran nichts Anstößiges.